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Kultur: "Funkisch" funkelnd

Sie kommen uns entgegen, unaufhaltsam: die Musikerinnen und Musiker des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin mit ihrem rührigen Chefdirigenten Rafael Frühbeck de Burgos.Im 75.

Sie kommen uns entgegen, unaufhaltsam: die Musikerinnen und Musiker des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin mit ihrem rührigen Chefdirigenten Rafael Frühbeck de Burgos.Im 75.Jahr seines Bestehens zeigt sich der Klangkörper glänzend aufpoliert, lebhaft, vielseitig und wendig - ganz wie die "launige Forelle", die der Rundfunkchor Berlin in einer köstlichen Chorfassung des Schubertliedes als Geburtstagsständchen beim Hilton-Empfang zum Besten gab.

Das gab sich nicht immer so entspannt.Was die Ansprachen von Staatsekretär Lutz von Pufendorf und ZDF-Intendant Stolte, Norbert Ely in schwungvoller Moderation und nicht zuletzt die Musik selbst beim Festakt im Schauspielhaus nachzeichneten, ergab ein lebendiges Bild der Historie: Am 29.Oktober 1923 schickte die frisch installierte Rundfunkstation aus dem Vox-Haus in der Potsdamer Straße die ersten Klänge in den Äther - Geburt der ersten Live-Musikübertragung überhaupt, damit auch des ersten ganz auf die Zwecke des neuen Mediums zugeschnittenen Orchesters.Die "Funkkapelle" formierte sich unter den Gästen Richard Strauss, Igor Strawinsky, George Szell, Paul Hindemith rasch zur festen Größe.Der junge Eugen Jochum wurde 1932 sein zweiter Chef.Den frechen, provozierenden Ton von damals macht nun Frühbeck mit Strawinskys "Cirkuspolka" lebendig, mit raffinierten, scharf-dissonanten Bläserabstufungen und eleganten Violinen.Die sind in Schuberts Militärmarsch D-Dur so federnd-fein, als gehörten sie den Wiener Philharmonikern.Filigran und prägnant zugleich erklingt auch das fugierte Thema der "Zauberflöten"-Ouvertüre, und doch fehlt hier auf Dauer die Wärme und Tiefe - ein Bruno Walter, der das Werk 1931 mit Joseph Schmidt als Tamino herausbrachte, muß da wohl unerreichbares Vorbild bleiben.

Das war im Großen Sendesaal an der Masurenallee, der auch nach Krieg und Naziherrschaft dem RSB unter Sergiu Celibidache wieder als Heimat diente - bis es der Kalte Krieg in den Osten trieb.Franz Wasmans "Carmen"-Phantasie, mit rasantem Charme gespielt von Maxim Vengerov, steht für die verfolgten jüdischen Komponisten, deren Wiederentdeckung sich das RSB widmet, Hanns Eislers Arie "Edel sei der Mensch", der Uta Priew die volle Altstimme leiht, für die vielen ideologisch belasteten und verunglimpften Werke, die in den Studios in der Nalepastraße erklangen.Der Glanz der Montserrat Caballé, der sich in immer noch feinen Pianotönen und anrührender Gestaltung über Arien von Donizetti und Francisco Barbieri legt, zeigt vielleicht am ehesten den heutigen Weg des RSB: Die Krisen der Politik, die jeweils nach Mauerbau und Mauerfall drohende Auflösung hat es glücklich überstanden, unter dem Dach der ROC-(Rundfunkorchester- und Chöre)-GmbH seine einstweilige Sicherheit gefunden.Nun greift die Veränderung des Rundfunks selbst nach seiner Identität: Spezielle Orchester verschwinden.So wird das einstige Experimentier-Ensemble zum "normalen" Konzertorchester mit klassisch-romantischem Repertoire.Das Festkonzert im Beisein des Bundespräsidenten im herrschaftlich-prächtigen Schauspielhaus statt im kühn-alten Rundfunksaal, das Aufgebot der Stars mag für Repräsentationswillen stehen, dem Neues, Unbequemes fremd zu werden droht.Doch wer so klangvoll-prall, so undeutsch-heiter die "Meistersinger"-Ouvertüre, so funkelnd-präzise "Till Eulenspiegel" von Strauss zu interpretieren vermag, verdient wohl auch die hier öffentlich dem Kanzleramtsminister Naumann abverlangte Entscheidung zur dauerhaften Finanzierung.

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