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Galerie Johann König beim Gallery Weekend: Farbenrausch im Andachtsraum

Ein Highlight beim Berliner Gallery Weekend: Die Künstlerin Katharina Grosse, eine Virtuosin mit der Sprühflasche, weiht St. Agnes als Kunstraum für Johann Königs Galerie ein.

Eine große Geste für eine große Kirche. St. Agnes, das neue Domizil der Galerie Johann König, wird endlich eröffnet, Katharina Grosse weiht den Kunstraum mit fünf riesigen Malereiformaten ein. Dass die Virtuosin mit der Sprühdose ausgedehnte Flächen spielend bewältigen kann, hat sie oft genug bewiesen. Meistens sprüht sie ja über Bildträger und Objekte hinweg, verwandelt mit Vorliebe ganze Räume in farbglühende Environments. Mit Rücksicht auf den Denkmalschutz bleiben die Kirchenwände aber unberührt. Abgesehen von den ohnehin gewaltigen Ausmaßen der Leinwände dringt Grosse dieses Mal weit in die Tiefe des Bildraums ein. Vier der fünf Gemälde lassen an abgerissene Papierschichten auf Plakatwänden denken: Grosse hat expressive Zufallsformen aus Papier gerissen, die Schablonen mit Nägeln auf den Leinwänden befestigt und nochmals darübergemalt.

Katharina Grosse schafft Werke am Rande des Chaos

Das collagehafte Ineinandergreifen von Formen und Farben verwirrt und verzaubert das Auge. Es sind Werke am Rande des Chaos, mit unübersehbarer Freude am Kontrollverlust geschaffen. Ein Bildersturm in der eigentlich kontemplativen Ruhe des ehemaligen Andachtsraums. Während der Hängung erzählte die Künstlerin, dass sie im Atelier gleichzeitig ihre Malerei-Installation für die Venedig-Biennale vorbereitet hat. Eine inhaltliche Verbindung zu ihrem Beitrag für Okwui Enwezors „All the World’s Futures“-Schau ab der kommenden Woche in Venedig ist also wahrscheinlich.

Warum der Titel „The Smoking Kid“ für die Berliner Ausstellung? Als Kind habe sie als Raucherin mit zusammengerolltem Papier posiert, erklärt Grosse, davon gebe es ein Foto. „Kinder unterscheiden nicht groß zwischen Spiel und Wirklichkeit.“ Gibt es denn einen Unterschied? Die Grenzen zwischen Fantasie- und Realraum verwischen jedenfalls, wenn sich das Farbuniversum von Katharina Grosse ausdehnt. Ihr dänischer Kollege Jeppe Hein lässt in St. Agnes übrigens sieben Luftballons an der Decke schweben. Keine bunten Ballons, sondern Objekte aus spiegelndem Chrom. Sie sind viel schwerer als vermutet.

St. Agnes, Alexandrinenstr. 118– 121, bis 21. Juni

Jens Hinrichsen

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