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Kultur: Galerie Paula Böttcher: Kunstfasern

Transparente Schläuche hängen in der Galerie Paula Böttcher von der Wand herab, klar strukturiert von grellgrünen Steckverbindungen; vis à vis durchzieht ein ähnliches Sortiment von Kunststoffröhren eine weiße Tapisserie. Ein technoides Geflecht schwingender Kabel kontrastiert die streng geordneten Raster.

Transparente Schläuche hängen in der Galerie Paula Böttcher von der Wand herab, klar strukturiert von grellgrünen Steckverbindungen; vis à vis durchzieht ein ähnliches Sortiment von Kunststoffröhren eine weiße Tapisserie. Ein technoides Geflecht schwingender Kabel kontrastiert die streng geordneten Raster. Bei Annäherung erst entfalten die installativen Objekte ihr Fluidum: Heißes Wasser fließt durch eine Endlosschlaufe und erwärmt den Raum.

"Baumaterial" nennt Anna Degenkolb die Ingredienzien ihrer Kunst: textile Stoffe, Teppiche, Kissen - alltägliche Gegenstände, die im Kunst-Kontext als "weibliche", traditionell eher geringe Formen firmieren. Degenkolb hebt diese Hierarchien auf, verwebt sie mit Kunstfasern, Dämmstoffen und PVC-Schläuchen, die an die Klimatechnik moderner Gebäude oder an medizinische Gerätschaften erinnern. All das unterstreicht sie mit elektrischen Pumpen, an denen die Objekte wie am Tropf hängen. Der enigmatische Titel "gegensonnen" umschreibt die materiellen und atmosphärischen Dichotomien in den Arbeiten der 1969 in Chemnitz geborenen Künstlerin. Kalte Farben und Materialien kontrastieren die spürbare Wärme. Synthetischen, industrieüblichen Stoffen hingegen verleiht sie eine außergewöhnliche Poesie.

Erzeugen "gegensonnen" eine neue Form von Wärme und Kraft oder widersetzen sie sich gerade der Annahme von der Energie als Grundlage des Daseins? Degenkolb unterminiert kitschig schöne Phantasien um den strahlenden Planeten ebenso wie sie sich einer vordergründigen Technikkritik verweigert. Während die Architektur Fensteröffnungen durch Klimaanlagen ersetzt, Designer Einkaufsparks mit Innenraum-Palmen bepflastern, gräbt Degenkolb die unsichtbaren Module des Fortschritts aus und stellt sie zur Debatte. Während Künstler wie Jannis Kounellis in den sechziger Jahren mit "armen" Materialien einer vergangenen Industrieepoche huldigten, vergegenwärtigt Degenkolb einen Zustand, der im aseptischen Jetzt gleichsam Zukünftiges impliziert. Ihr Gebrauch dysfunktionalisierter Gebrauchsgegenstände evoziert Erinnerungen genau an der Schnittstelle vergangen-industrieller und zukünftig-synthetischer Welten.

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