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Kultur: Galerie Wellerdiek: Black Box im Kasten

"Jede Black Box ist innen weiß" lautet die Behauptung von Matthias Lengner auf dem in der Berliner Galerie Wellerdieck ausliegenden Thesenpapier. Nur nachprüfen lässt es sich nicht.

"Jede Black Box ist innen weiß" lautet die Behauptung von Matthias Lengner auf dem in der Berliner Galerie Wellerdieck ausliegenden Thesenpapier. Nur nachprüfen lässt es sich nicht. Denn der fast Raum füllende schwarze Kasten ist hermetisch verschlossen und ohnehin nur das Bild für die Ambivalenz zwischen white cube und Black Box. Aber durch Lengners Behauptung verwandelt sich die Galerie selbst - zumindest begrifflich - in eine "Black Box". Der Begriff stammt eigentlich aus der Kybernetik und steht für einen Raum, in dem sich etwas abspielt, wobei offen bleibt, was es ist. Nur in-put und out-put sind beobachtbar. Was aber, wenn wir uns selbst im white cube der Galerie und damit im Inneren der Black Box wiederfinden? Da im Inneren laut Definition keine Beobachtung möglich ist, gelingt die Wahrnehmung nur von außen.

Perspektivenwechsel

Was Lengner in der Galerie mit seinem Kasten aufgebaut und kontextuell festgezurrt hat, ist das Paradox einer Beobachterposition, die sich sowohl nach innen als auch außen richtet. Und um die Verwirrung noch zu steigern und die Verhältnisse im Kunstraum weiter zu verdeutlichen, befinden sich an den Wänden der Galerie zwei schwarzweiße Fotografien (7500 Mark, als Digitaldruck auf Papier 600 Mark). Hier blickt der Künstler selbst in den Spiegel auf sein Ebenbild, oder sein Spiegelbild blickt zurück zu ihm, oder der Künstler blickt durch den Spiegel auf die Black Box in seinem Rücken. Kurzum: Es ist nicht genau auszumachen, wer wen anblickt, sämtliche Perspektiven sind denkbar.

Diese Freiheit gilt natürlich auch für den externen Betrachter, also den Galerienbesucher. Denn wendet sich dieser einmal genauer der Black Box zu, wird er bemerken, dass die hölzernen, fast bis an die Decke reichenden Gestänge aus dem bereits in den vorigen Ausstellungen vorhandenen Einbausystem in der Galerie bestehen. Die zwei freistehenden Rahmen lassen sich mit Tafeln bestückt als Stellwand verwenden und teilen den Galerienraum je nach den Ausstellungserfordernissen in unterschiedliche Kompartements. Dieses Design hat Matthias Lengner selbst im Auftrag der Galeristin für einen Ausstellungsturnus entworfen. In der aktuellen Ausstellung wird das praktische Rahmen- bzw. Wandsystem zum Thema gemacht und ist Bestandteil der künstlerischen Installation.

Schon im angrenzenden Büroraum trifft man auf eine Möblierung, die ebenfalls von Lengner entworfen wurde. Die aus Pappe einfach zusammengesteckten Flächen bilden Regal und Schreibtisch der Galerie. Das Einrichtungssystem ist patentiert und lässt sich im Fachhandel unter dem Markennamen "Lagerregal" erwerben. Der Pfiff dabei ist nicht nur der an der Mittelachse des Wortes gespiegelte Name oder das genial einfache Design, sondern die Tatsache, dass Lengner die gleichen Pappelemente im Museum als Skulptur zusammenbaut.

Auch hier also der gleiche Ansatz wie bei der Black Box als white cube: Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Das Bild auf der einen Seite entwertet die Zahl auf der anderen keineswegs et vice versa. Statt der Medaille könnte man zur Veranschaulichung auch einfach die Einladungskarte zur Ausstellung zur Hand nehmen: Im Format der Karte wiederholen sich die Proportionen des Galerienraums. Die beiden T-förmigen Ausstanzungen im Zentrum der Einladung stehen für das Gerüst im Raum. Dazwischen ist es auf der ansonsten weißen Karte schwarz. Dreht man sie herum, haben sich am Motiv nur die Farben verkehrt: Das Schwarze ist weiß und das Weiße schwarz, der visuelle Ausdruck für den auf der Karte notierten Titel der Austellung: "Your inside is out and your outside is in".

Ronald Berg

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