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Galerie Westphal: Glanz im Gestern

Vom Kronleuchter bis zum Gemälde von Lenbach: Volker Westphal umgibt sich mit Kunst des späten 18. Jahrhunderts.

Draußen rauschen die Autos über den Kaiserdamm, drinnen tanzen die Nymphen. Sie tun dies stilecht unter einem Jugendstil-Himmel, die Kassettendecke des Hauses von 1908 ist original erhalten. Der Kunsthändler Volker Westphal ist spezialisiert auf die Zeit der Berliner Secession, ihre Vorläufer und Zeitgenossen und handelt mit Gemälden, Plastiken und kunsthandwerklichen Gegenständen von oft musealer Bedeutung.

Seit Anfang dieses Jahres residiert die Galerie auf prächtigen 350 Quadratmetern, die mit all ihren Vertäfelungen und Intarsien die Zeit überstanden haben. Hier hat Westphal viel Raum für sein Anliegen: die Kunst so zu präsentieren, dass man mit ihr leben kann. Mit Liebe zum Detail sind die Kunstwerke um Sitzgruppen herum arrangiert und Bezüge gesetzt, wohin man schaut. Der Blick nach oben verfängt sich in einem zart gefärbten Kronleuchter, einer Murano-Krone, die Wände sind bedeckt mit Landschaften, Porträts und Blumen in Öl. Das Mobiliar entstammt zum Großteil derselben Epoche, und auf jeder freien Fläche findet sich noch eine Vase, noch eine Figur. So wird die ganze Galerie zur Spielwiese der leichtfüßigen Tänzerinnen, Bogenschützen und der Speerwerfer im dunklen Teint der Bronze.

Westphal hat spielerische Verwandtschaften im Thematischen oder Formalen inszeniert, die Nachbarschaft des marmornen Knaben im Wolfspelz von Emil Wolff beispielsweise zu den Rattenfiguren aus der japanischen Meiji-Zeit. Andere Bezüge haben ihren Grund in der historischen Verortung der Gemälde, Skulpturen, Figuren, Gläser und Leuchter. Zu jedem seiner etwa 500 Kunstgegenstände weiß der Galerist eine Geschichte, die von einer umfassenden Kenntnis und Liebe zum Detail, aber auch von Enthusiasmus spricht. Das Handwerkliche hat darin ebenso Platz wie die Lebenswirklichkeiten der Künstler Das Wissen, dass Westphal nach mittlerweile 46 Jahren im eigenen Kunsthandel und knapp 50 Jahren im Geschäft zusammengetragen hat, ist in mehreren akribisch recherchierten Katalogen veröffentlicht.

Alles begann mit einem Ferienjob im Kunsthandel. „Das hat mir einen solchen Spaß gemacht“, erinnert sich Westphal. Drei Jahre später eröffnete das erste Geschäft. Mitbegründerin und -inhaberin war Asta von Bethmann-Hollweg, die vor vier Jahren verstarb. Das gemeinsame Projekt war bald erfolgreich: Die Galerie etablierte sich in Fachkreisen konnte bis heute zahlreiche Werke an Sammler und Museen vermitteln. An das Berlin-Museum hat Westphal verkauft, an die Berlinische Galerie, das Deutsche Historische Museum und mit besonderem Stolz an die Eremitage in St. Petersburg. Mehrere Werke befinden sich als Leihgaben in Museen und Ausstellungen.

Volker Westphal findet seine Schätze im Handel und auf Auktionen, seine Kunden trifft er auf Veranstaltungen wie der Ars Nobilis, die in Berlin im November zum zehnten Mal stattfindet. Hier wie bei vielen anderen Messen gehört er zu den Gründungsmitgliedern.

Der Schwerpunkt der Galerie liegt auf Berliner Kunst vorwiegend der Secession und ihre Vorläufer vom Ende des 18. Jahrhunderts. Das späte Barock klingt noch an, etwas Rokoko, viel Klassizismus und natürlich Jugendstil. Meister der Königlichen Porzellan Manufaktur Berlin sind vertreten, Hauptaugenmerk jedoch liegt auf der Secessions-Bewegung, die sich seit 1892 zunächst in der „Gruppe der Elf“ organisierte, dem Akademismus entsagte und mit der Lösung vom starren Bild- und Formenkanon die Moderne in Deutschland einläutete. Der Vorsitzende der Bewegung war Max Liebermann, in der Galerie Westphal sind Werke zahlreicher seiner Kollegen vertreten: George Mosson, Franz Skarbina, Walter Leistikow, Georg Kolbe und Wilhelm Trübner. Oder die Secessionisten der zweiten Generation, Bruno Krauskopf und Willy Jaeckel, beides Favoriten des Galeristen.

Dem Blick des Spezialisten fiel bereits manche kunsthistorische Zuordnung zum Opfer. Die Urheber anderer Werke können dagegen trotz vieler Recherchen nur vermutet werden. So der einer kleinen Entwurfszeichnung für einen Giebel samt Minerva, Herkules und kurbrandenburgischem Wappen, die Westphal dem Baumeister und Bildhauer Andreas Schlüter zuschreibt. Von ihm gibt es nur eine Handvoll authentischer Zeichnungen.

Westphals Lieblingsbild: Vermutlich von Thomas Couture gemalt, einem Lehrer Manets. Das Bildnis einer jungen Dame samt Schleife im Haar, gehalten in Grau- und Karamelltönen und mit einem beachtlichen Dekollete. Der stolze Besitzer kennt hier jeden Pinselstrich und verliert sich lustvoll in den Details der malerischen Raffinesse. Genauso bei Albert Hertels Stillleben mit seinen prächtigen Stoffen. „Da passiert auf einem Quadratzentimeter mehr, als Herr Graubner heute auf zwei mal zwei Metern bringt“, meint Westphal und lobt das solide Handwerk. „Dass es nicht der heutige Geschmack ist, ficht mich nicht an.“

Westphal interessiert sich für malerische, menschliche und inhaltliche Delikatesse, die neben der perfekten Beherrschung des Metiers das Bild „mit Sinn und Anmut erfüllt“. Dann findet er die Qualität, die ihn ergreift und begeistert.

In weiteren Räumen seiner Galerie zeigt sich überraschenderweise, dass dieses Ergreifende doch weder über hundert Jahre alt sein muss, noch sich auf Nymphen und Blumen beschränkt. Hier tobt auf Leinwänden von Johannes Heisig oder Werner Liebmann die Expression und liefert gleichermaßen die malerische Sinnlichkeit in Farbe und Form, die Westphal meint, wenn er von Qualität spricht.

Galerie Westphal, Kaiserdamm 118, Tel.: 321 23 32 (nur nach Voranmeldung), www.galerie-westphal.de

Julia Brodauf

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