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Galerie Wohnmaschine: Entfesselte Engel

Friedrich Look hat seine Galerie Wohnmaschine verlegt und zeigt am neuen Ort zwei Künstler.

Auch wenn am Humboldthafen keine städtische Kunsthalle entsteht – als Standort für Gegenwartskunst ist das Viertel am Hauptbahnhof längst mehr als etabliert. Die „Halle am Wasser“ hinter dem Hamburger Bahnhof scheint sich für die dort seit Mai 2008 residierenden Galerien auszuzahlen. Friedrich Loock jedenfalls freut sich über viel Fachpublikum.

In diesen unsicheren Zeiten stehen die Zeichen auf Konsolidierung. So hat Loock nun auch den Projektraum „Wohnmaschine“, den er 1988 in seiner Privatwohnung gründete, aus der Tucholskystraße in Mitte geholt und in seine Halle gesetzt. Auf vier mal sechs Metern soll hier weiter ein experimenteller Ansatz gepflegt werden, als Reibungsfläche für die prominenteren Ausstellungen.

Einen größeren Kontrast als zwischen den beiden Schauen, die dort ab heute zu sehen sind, ist denn auch kaum denkbar. Die Haupthalle gibt vier feinen Kamelienblüten des japanischen Holzschnitzkünstlers Yoshihiro Suda Raum, während sich in der Wohnmaschine großformatige Ölgemälde des Dänen Martin Bigum zu einem apokalyptischen Panorama verdichten. Eine Horde entfesselter Engel ist in „Jigsaw falling into Place“ im Kampf ineinander verschlungen. Die Heiligenscheine über den von Wut verzerrten Fratzen sind nur noch Farce. Federn fallen aus dem Schlachtgetümmel über futuristischen Wohntürmen und einer orientalisch anmutenden Stadtlandschaft in existentiell-weiße Leere (22 000 €).

Die Welt ist sichtbar aus dem Gleichgewicht. In „Anytime“ wird die Erdkugel, taumelnd wie ein unnützer Saufbold, von einem Engel gleich ganz in ein schwarzes Loch entsorgt, das sich zwischen kubistischen Puzzle-Teilen auf der weißen Leinwand auftut (16 000 €). Die quietschbunten und dennoch höchst ausgewogen komponierten Ölbilder verbinden surrealistische Elemente mit aktueller Comic-Ästhethik. Als Jugendlicher zeichnete Bigum für die dänische Ausgabe des Magazins „MAD“. Eine Wand ziert eine Tapetenarbeit, die mit Hiphop-Gangster-Motiven auf Bigums künstlerische Anfänge zurückgreift und die Schwere der Motive abfedert.

Denn nichts liegt dem 42-Jährigen, der auch als Dichter und Schriftsteller arbeitet, ferner als die Verfestigung einer Sichtweise. Sechs opake Fotografien zeigen einen ganz harmonischen Blick (je 800 €), und durch ein kleines Guckloch im Milchglas sieht man draußen ein Mobile baumeln. Die Frauenpuppe, die dort in ein Skelett eingeschlossen ist, wirkt freilich wiederum höchst beunruhigend und verweist auf das Gemälde, das Bigums Schau den Titel gibt: „Structure beneath Skin“. Zwei Skelette umklammern sich dort in aggressiver Vereinigung, männliches und weibliches Prinzip, wie der Künstler vage andeutet. Auf der rechten Hälfte schwirren Puzzleteile durcheinander wie Weltraumschrott. Auf der linken ist eine durchpflügte Natur in Auflösung. Ein beklemmend aktueller Kommentar zum Verlust eines regulierenden Außen.

Wenn der Sündenfall gegenüber der Natur geschehen und diese ohne menschliches Einwirken nicht mehr zu haben ist, sollte man auf Yoshihiro Suda bauen, den Meister der Naturnachschöpfung. In einem kleinen Karton brachte der Künstler seine vier Kamelienblüten, die nun im Geiste des Zen-Buddhismus mit der Weite des Raums einen Dialog eingehen (10 000-15 000 €). Die Genauigkeit und fast übernatürliche Zartheit seiner Arbeiten ist atemberaubend. Wem von Bigums Bildern der Kopf schwirrt, der findet hier wieder sein Gleichgewicht. Und eine Ahnung von Transzendenz.

„Structure Beneath Skin“ und „Camelia“, Loock Galerie und Wohnaschine , Invalidenstraße 50/51; bis 21. Februar, Di-Sa 14-18 Uhr.

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