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Kultur: Gebell ums Matratzengestell

Auch Florenz hat sein Sommertheater: Traditionalisten laufen Sturm gegen einen modernen Anbau für die Uffizien

Von Thomas Migge

„Den sollte man nach Hause schicken, nach Japan oder Amerika, da kann der dort seinen Schrott produzieren, aber doch nicht hier in Italien!" Im Streit um das vom japanischen Stararchitekten Arata Isozaki entworfene Dach über dem Ausgang der florentiner Uffizien nimmt der Kunstexperte und ehemalige Vize-Kulturminister Vittorio Sgarbi sicherlich den ersten Platz ein, wenn es um klare, sehr klare Worte geht.

Sgarbi wettert seit Wochen gegen das Projekt und legte sich deshalb sogar mit Kulturminister Giuliano Urbani an. Ein Streit, bei dem so scharfe Sätze fielen, dass der Minister sich schließlich bei Regierungschef Silvio Berlusconi für Sgarbis Entlassung stark machte. Seitdem organisiert der wortgewaltige Kunstfachmann den Kampf gegen das „Matratzengestell“ - wie er das Dach nennt.

„Das ist eine Sauerei“, schimpft er. „Fragen Sie mal die Menschen in Florenz, die Bürger, was die davon halten". Sgarbi will auch „die Unesco wachrütteln, dass die etwas dagegen unternimmt". Isozaki soll nach dem Willen der Stadt auf der Piazza Castellani, der Rückseite der Uffizien, etwas ganz Neues schaffen. Man will beweisen, dass auch Florenz in Sachen moderner Architektur federführend sein kann. Dabei dachte man an die berühmte Louvre-Pyramide in Paris. Ähnliches lässt sich in Florenz aber nicht bauen, weil im gesamten historischen Zentrum absolutes Neubau-Verbot besteht.

Toscani tadelt

Doch die Stadtverwaltung hat immerhin die Möglichkeit, Plätze neu zu gestalten. Mit Hilfe avantgardistischer Architekten, wie zum Beispiel mit Arata Isuzaki. Er entwarf ein Dach über dem Ausgang der Uffizien, dass hoch über der Piazza Castellani zu schweben scheint. Es besteht aus licht- und regendurchlässigen Balken, die an der Rückwand der Uffizien befestigt sein werden. Das Dach erfüllt damit einen rein ästhetischen Zweck, schützt die Besucher der Uffizien beim Verlassen des Gebäudes weder vor Sonne und Regen. Die minimalistische Konstruktion steht in anregendem Kontrast zu den umliegenden Bauten.

Davon ist jedenfalls Italiens prominentester Fotograf überzeugt, Oliviero Toscani, der durch seine provozierenden Arbeiten für den Kleidermulti Benetton bekannt wurde. "Ich glaube nicht, dass man immer alles nur so machen sollte, wie die Leute es gewöhnt sind“, sagt Toscani. „Ich glaube hingegen, dass man Kontraste schaffen muss". Der florentiner Regisseur Franco Zeffirelli hingegen findet das Vordach von Isozaki einen „himmelschreienden Skandal". Allein schon deshalb, weil es von überall her zu sehen ist.

Zeffirelli zetert

Zeffirelli schrieb in der Tageszeitung „Corriere della sera“ ein Pamphlet gegen das Dach, in dem der Architekt und die Stadtväter übel beschimpft werden. Darauf antwortete Italiens angesehenster Urbanist Leonardo Benevolo und warf Zeffirelli vor, dass er „nur rückwärtsgewandt denkt und die moderne Architektur verachtet".

Nur Kulturminister Giuliano Urbani schweigt zu der Diskussion. Er hätte eigentlich die Aufgabe, meint Sgarbi, zu dem Dach Stellung zu beziehen. Als Minister hat er das Recht, Neubauten in historischen Stadtzentren abzusegnen oder aber abzulehnen. Doch Signore Urbani lässt die florentiner Stadtväter machen.

Die aber geraten immer mehr unter Druck: viele Bürger, wachgerüttelt durch den rhetorischen Schlagabtausch der Befürworter und Gegner des neuen Uffizien-Ausgangs, melden sich im Rathaus und protestieren: Fast alle sprechen sich gegen Isozakis Projekt aus. Isozaki selbst hält sich mit Kommentaren zurück. Er hat den offiziellen Zuschlag erhalten und bereits eine Anzahlung auf die Gesamtkosten in Höhe von sieben Millionen Euro kassiert. Im Herbst soll mit den Bauarbeiten begonnen werden. Im Frühjahr 2003 soll das Dach für den neuen Ausgang fertig sein. Dann, drohen militante Gegner des Projekts, werde man mit einem gezielten Anschlag eine der Säulen und damit das ganze Dach zum Einsturz bringen. Keine schlechte Idee, meint Vittorio Sgarbi, denn vielleicht begreife die Stadtverwaltung auf diese Weise, dass man eine Altstadt nicht mit einem gigantischen Matratzengestell verschandeln darf.

Aber vielleicht muss es gar nicht erst knallen. Gerade haben Archäologen unterhalb des Vorplatzes beim Ausgang aus den Uffizien Steine aus dem Mittelalter entdeckt. Jetzt wird zu klären sein, wie wichtig diese Reste sind. Dann muss darüber nachgedacht werden, ob und wie das Vordach verändert und inwiefern die ans Tageslicht geholten Steine bei der Gestaltung des Platzes mitberücksichtigt werden müssen. Isozaki ist zu Kompromissen bereit. Wichtig ist nur, verkündete er, dass „mein Dach endlich Realität wird, mit oder ohne mittelalterliche Reste".

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