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Kultur: Gebrochene Ironie

Ironie, so sagt man, war in den Achtzigern die wahre Sprache der Kunst.Denn wer uneigentlich spricht, verdeutlicht seinen Abstand zum Gesagten und gibt zu erkennen, daß er noch von anderem weiß.

Ironie, so sagt man, war in den Achtzigern die wahre Sprache der Kunst.Denn wer uneigentlich spricht, verdeutlicht seinen Abstand zum Gesagten und gibt zu erkennen, daß er noch von anderem weiß.Doch was Ironiker außer diesem Abstand meinen, bleibt oft ein leeres Geheimnis, weshalb manche ausgezehrte Zyniker geworden sind.Die Meßlatte für Künstler, die wie Matti Braun den Modus der Ironie wählen, liegt deshalb hoch.Doch als Vorteil kann der deutsch-finnische Künstler verbuchen, daß sein Thema abstandslos gar nicht ins Blickfeld zu bekommen ist.Matti Braun begeistert sich an "kulturellen Mißverständnissen".Da gab es den Maler Yoruzu Tetsugoro aus Japan, der im Düsseldorf und Paris der 20er Jahre die Neuerungen des Surrealismus und Expressionismus studierte, um sie dann japanisiert und "mißverstanden" in Japan einzuführen.Mißverstanden aus der Perspektive von Paris und Düsseldorf.Mißverstanden, wie es umgekehrt in Paris mit "dem Orient" geschieht, der in Düsseldorf wiederum anders mißverstanden wird.Je genauer man hinschaut, desto komplizierter wird es.Tetsugoro eignete sich die künstlerischen Äußerungen anders an als sie am Ort der Entstehung "eigentlich" gemeint waren und hat die Fährnisse der Grenzüberschreitung gekannt.Denn so schwermütig wie sein Blick auf dem Selbstporträt kehren manche, die über den Zaun ihrer Kultur gesprungen sind, in das Land ihrer Herkunft zurück.Matti Braun verwandelt das Konfliktfeld in eine abstrakte Light-Version.Er weckt mit dem Porträt, das von der Galerie verbreitet wird, Vorstellungen, die sich mit der Präsentation im Raum nur gewaltsam verbinden lassen.

Dieses Mißverhältnis ist die Idee der Ausstellung.Braun folgt einer Idee der Romantik, wonach die Phantasie reicher sei als die Wirklichkeit und setzt auf die Eigendynamik punktueller Wahrnehmung, der die Radikalisierung des Monologs entspringt.Der Monologisierende kennt kein Mißverstehen.Er verwandelt alles Fremde in Eigenes.Deshalb bringt Braun den selektiven Blick ins Spiel, der Absichten und Zusammenhänge einfach nicht zur Kenntnis nimmt.In der Ausstellung aber geht der Besucher zwischen sechs allseitig mit Spiegeln versehenen Kuben herum und ist ständig mit seinem eigenen Spiegelbild konfrontiert.Die Ein- und Ausfallswinkel verwirren scheinbar die Raumgrenzen.Spiegel reflektieren, was man ihnen vorsetzt.Sie behalten nichts.Mißverständnisse erwachsen aber aus vorangegangenen Bildern und den Vorstellungen anderer.Der Monologisierende ist taub und mit sich selbst beschäftigt.Entsprechend fallen in Brauns Spiegelkabinett alle Bilder zur Variation des Immergleichen ineinander.Der Raum implodiert.Diese in sich geschlossene Welt ist immun gegen jede Veränderung ihres Funktionsprinzips.Erfahrung, die Tetsugoros Gesicht zeichnete, ist in Brauns Raum zufällig.Daraus ergibt sich eine etwas gewaltsame Allegorie für die Erinnerungslosigkeit und Selbstbespiegelung sowohl einer gewissen Art von Kunst für Eingeweihte als auch für Galerienräume insgesamt.Das kann man als Kritik auffassen, muß aber nicht.Mißverständnissen sind keine Grenzen gesetzt; das macht sie groß.

Schipper + Krome, Auguststraße 91, bis 30.April; Dienstag bis Freitag 12 bis 18 Uhr, Sonnabend 13 bis 17 Uhr.

PETRE HERBSTREUTH

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