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Die Gedächtniskriche am Kurfürstendamm.

© dpa

Gedankenaustausch: Wenn Kunst auf Götter trifft

Die Chance für eine kreative Formulierung des Glaubensbekenntnisses: Die Evangelische Kirche Deutschland lädt in Berlin zum ersten Kirchen-Kultur-Kongress.

Santa Monica, 1943. Die deutsche Exilgemeinde trifft sich, um den 65. Geburtstag von Alfred Döblin zu feiern. Bertolt Brecht und Helene Weigel sind unter den Gästen, Thomas und Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger. Es kommt zum Eklat: Döblin erklärt seinen Freunden, dass er religiös geworden ist, und singt ein Kirchenlied. Einige Gäste verlassen daraufhin das Fest. Brecht schrieb später in seinem Gedicht „Peinlicher Vorfall“, wie sehr er sich für Döblin schäme.

Die Konversion des linken jüdischen Intellektuellen Döblin zum Katholizismus konnten sich seine Freunde nur mit einer psychischen Krankheit erklären. Wäre das heute anders? Was würde passieren, wenn sich ein Schriftsteller auf der Bühne emphatisch zu seinem Glauben bekennen würde? Der Graben zwischen Kunst und Kirche ist tief. Daran ändern auch Salonkatholizisten wie Martin Mosebach oder Matthias Matussek nichts. Durch ihren missionarischen Eifer vertiefen sie den Graben eher noch. Die Kirchen gelten vielen Kreativen als zopfig. Und wer selbst religiös ist, will darüber nicht öffentlich reden. Der Graben ist auch von der anderen Seite her tief. Selten schafft es anspruchsvolle Gegenwartskunst in Kirchenräume. Es fehlt an Kunstverständnis, manchmal liegt es an moralischem Rigorismus, meistens schlichtweg am Desinteresse.

Das soll sich nun ändern. Denn zumindest bei leitenden Geistlichen wächst das Bewusstsein, dass „wir den Ausdrucksweisen unseres Bekenntnisses mehr Aufmerksamkeit schenken müssen, um verständlich und anziehend zu sein“, wie es eine Schrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 2002 formulierte.

Von Donnerstag bis Sonntag lädt die EKD zum ersten „Kirchen-Kultur-Kongress“ nach Berlin. Am Donnerstag wird der Kongress mit einer Uraufführung des Musiktheaterstückes „Paulus – Das ängstliche Harren der Kreatur“ eröffnet. Im Mittelpunkt steht Paulus, der Gewandelte, der zweifelnde, suchende Mensch. Es ist ein Auftragswerk der Kirche.

Am Freitag und Samstag geht es in acht Kirchen über die Stadt verteilt um Kunst. Um Film (Gedächtniskirche), Bildende Kunst (St. Matthäus, Kulturforum), Musik (Französische Friedrichstadtkirche, Gendarmenmarkt), Literatur (Parochialkirche, Klosterstraße), Architektur (Heilig-Kreuz, Kreuzberg), Theater (St. Elisabeth, Invalidenstraße), Gedenken (Versöhnungskapelle, Bernauer Straße) und Interkultur (St. Genezareth, Neukölln). Mit dabei sind unter anderen der Kunsthistoriker Horst Bredekamp, der Architekt Meinhard von Gerkan, die Schriftsteller Sybille Lewitscharoff und Friedrich Ani sowie Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters.

Statt wohlfeiler Vorträge über Luther oder Bachs Matthäuspassion stehen Arbeitsgruppen auf dem Programm. Theologen und Künstler sollen sich über Verbindendes und Trennendes austauschen; Kirchenleute unter Anleitung von Künstlern lernen, wie Arbeit am Text, am Körper, mit der Stimme hilft, ausgetretene Wege zu verlassen. In einem Workshop am Samstag wollen sich Theaterleute und Schriftsteller John von Düffel zum Beispiel des viel zu lange vernachlässigten Krippenspiels annehmen.

Es ist ja nicht so, dass sich Kunst und Kirche nichts zu sagen hätten. Künstler wie Theologen laborieren an „denselben Verzweiflungen des Menschen“, wie es Ulrich Khuon formuliert. Woher kommt der Mensch, wohin geht er? Welche Gewissheiten gibt es, welche Zweifel, welche Sehnsüchte? Und ist nicht jede Frage nach Gott auch eine Suche nach Schönheit, und große Kunst eine Erinnerung daran, dass es etwas Unverfügbares gibt, etwas jenseits der platten Ökonomisierung des Alltags?

Die Antworten von Kirche und Kunst fallen natürlich unterschiedlich aus. Der christliche Glaube hat eine klare Botschaft. Kunst kann mit einer Aussage in der Schwebe bleiben. Unter Freiheit verstehen Künstler und Theologen etwas anderes. Deshalb bleibt die Begegnung der beiden Sphären immer ein „Risiko“, sagt Petra Bahr, die als EKD-Kulturbeauftragte die Idee zum Kongress hatte. Wenn sich Kunst und Kirche treffen, endet es schnell in Kitsch, Verniedlichung oder Streit. Würde ein Bischof heute einem zwielichtigen Außenseiter wie Caravaggio einen Auftrag geben?

Vielleicht ist es zu viel verlangt, dass sich Pfarrer neben der Organisation von Senioren- und Kinderkreisen, Suppenküchen und Konfirmandenfahrten auch noch mit Kunst auskennen sollen. Aber wäre es so schwierig, Theologiestudenten mit angehenden Kirchenmusikern zusammenzubringen oder gar mit Studenten an den Musikhochschulen?

Die Kirchen müssen sich nicht dem Zeitgeist unterwerfen, wenn sie ernst genommen werden wollen. Aber sie sollten auf der Höhe der Zeit sein. Es ist sicher ein Wagnis, die Perspektive zeitgenössischer Kunst in Gottesdienste und Gemeinden hineinzulassen. Aber es ist auch eine große Chance, die biblischen Texte neu zum Leuchten zu bringen. Die Alternative wäre womöglich, an der eigenen Gewohnheit zu verblassen.

Das komplette Programm unter www.ekd-kkk.de. Um Anmeldung wird gebeten; sie ist nur für eines der acht Themenfelder möglich. Die Teilnahme kostet 100 Euro, erm. 50 Euro.

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