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Claudio Abbado (1933 - 2014)

© Marco Caselli/DG

Gedenken an Claudio Abbado: Reden ist Silber

Im Mai kam Claudio Abbado traditionell nach Berlin, um die Philharmoniker zu dirigieren. Nach seinem Tod wird nun Simon Rattle die Gedenkkonzerte leiten. Eine Reverenz an seinen Vorgänger, die nur sehr schwer zu realisieren war.

Viele Worte hat er nie gemacht. Lieber ließ Claudio Abbado die Musik sprechen. Wenn er auf der Bühne stand, war seine Person vollständig erfüllt von den Klängen, die er gerade aus dem papiernen Zustand der Partitur in tönende Lebendigkeit übersetzte. Dann vermochte er magische Momente zu schaffen. In diesen Maitagen hätte der italienische Dirigent wieder vor die Berliner Philharmoniker treten sollen, deren Chefdirigent er von 1990 bis 2002 war. Am 20. Januar aber endete das Leben des großen Humanisten. Ganz in seinem Sinne – ohne Reden und Rezitationen – sollen nun die drei für Abbado reservierten Konzerttermine am heutigen Freitag, Samstag und Sonntag über die Bühne der Philharmonie gehen.. Zunächst spielen die Musiker Schuberts „Rosamunde“ ganz ohne Dirigenten, dann leitet der Solist Frank Peter Zimmermann Mozarts 3. Violinkonzert von der Geige aus. Erst nach der Pause wird Simon Rattle aufs Podium treten, um die Philharmoniker durch Bruckners siebte Sinfonie zu führen. Um diese Abende des Gedenkens realisieren zu können, mussten allerdings viele, viele Worte gewechselt werden: Die Stars der Klassikszene nämlich sind langfristig verplant. Gerade im Bereich der Oper werden Aufführungstermine Jahre im voraus festgelegt. Auch für Simon Rattle, der aktuell am Londoner Opernhaus von Covent Garden für Francis Poulencs Musikdrama „Dialogues des Carmélites“ engagiert ist. Um seinen dortigen Verpflichtungen nachkommen und dennoch in Berlin dabei sein zu können, musste in beiden Hauptstädten eine komplizierte Terminlogistik ausgetüftelt werden: Am Mittwoch kam er zur ersten Probe in die Philharmonie, am Donnerstag morgen ging’s nach London, am heutigen Freitag ist er schon wieder in Berlin. Und kaum hat er nach dem dritten Konzert den Taktstock niedergelegt, geht erneut der Flieger nach Großbritannien. Die abbadiani itineranti, die treuesten Fans des Maestro, dürften Rattle diese Reverenz an seinen Vorgänger hoch anrechnen. Natürlich werden sie alle in Berlin versammelt sein – weil sie ihre Tickets bereits im vergangenen Jahr erworben haben. Am Tag des Vorverkaufbeginns, in der festen Überzeugung, dass Abbado zum traditionellen Mai bei seinem alten Orchester anreisen werde. Zudem hat Philharmoniker-Intendant Martin Hoffmann Freunde und Weggefährten Abbados aus seiner Berliner Zeit eingeladen, dessen Fahrer, den Arzt seines Vertrauens – und den Wirt der Trattoria a’ Muntagnola in der Fuggerstraße, wo viele Abende fröhlich ausklangen.

Wenn die Musik dann anhebt, bleibt es den Zuhörern im Saal überlassen, jeweils ihre individuelle Form der Trauer über den Verlust zu finden, ihren je eigenen Gedanken an Claudio Abbado nachzuhängen. „Jeder Abschied“, hat Salvador Dalì gesagt, „ist die Geburt einer Erinnerung.“

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