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Roberto Bolaño

© dpa / picture-alliance / Fernando Nahuel

Gedichte von Roberto Bolaño: In den wilden Fluten der Liebe

Frucht ohne Schale: Hanser bringt einen Band mit übersetzten Gedichten des chilenischen Autors Roberto Bolaño heraus. Weder Ausgabe noch Inhalt können überzeugen.

Lebendigsein lautet das Zauberwort von Roberto Bolaños Gedichten. Und Lieben. Es ist eine schräge Liebe, die immer schon durch den Schmerz gegangen ist, und ein Lebendigsein, das aus der Zerstörung erwächst. Unverkennbar lehnt sich Bolaño in seinen Gedichten an die Beatniks an, an ihre Lust an der Bewegung und an die Ekstase des Augenblicks. Erst recht aber an das freie Fließen der Sprache.

Bolaño zählt sich selbst zu den Hungrigen und Nackten, „zerstört vom Wahnsinn“, wie sie Allen Ginsberg in „Howl“ beschwört. Vor allem die Idee des Reflexionsgedichts, das von langen Versen und einem freien Rhythmus lebt, schimmert durch diese Zeilen. Als Bolaño 2003 in Barcelona starb, hatte er eine lange Zeit der Krankheit hinter sich. Die großartigen Wahrnehmungsmomente vergaß er nie. Auch nicht die vielen abgehängten Figuren, die ihm begegneten, in Chile, Mexiko und schließlich in Spanien.

Ein Nachwort oder Anmerkungen hätten geholfen

Und so folgen wir dem Sprecher der Gedichte durch die südamerikanische Landschaft oder er spinnt die lateinamerikanische Tradition der Traumwelten fort, stets darauf bedacht, diese Sphären mit Elementen seiner Zeit anzureichern. Bis zu Bukowskis Trink- und Sexmetaphorik reicht das Netz der Anspielungen.

Dennoch weiß dieses Gedichtbuch nicht gänzlich zu überzeugen. Man hätte gerne gewusst, wie all die Träume und Kriminalfiguren mit Bolaños großen Prosawerken zusammenhängen, in denen ähnliche Motive auftauchen. Oder warum Bolaño seine Gedichte, von denen er selbst so viel hielt, im Jahr 2000 in zwei Verlagen herausgebracht hat – und in zwei Bänden, aus denen sich das vorliegende Buch zusammensetzt. Ein kleines Nachwort oder ein paar Anmerkungen hätten hier weitergeholfen. Stärker noch vermisst man die spanischen Originale, und sei es nur in einer Auswahl. Die Übersetzungen Heinrich von Berenbergs und Christian Hansens klingen nicht schlecht. Nur: Wer wollte ihre Qualität genauer beurteilen ohne Blick auf den spanischen Text?

Bolaño schneidet Bilder und Reflexionen ineinander

Doch nicht nur die Ausgabe wirkt wie eine Frucht ohne Schale, sondern auch ein Großteil der Gedichte. Bolaño schneidet Bilder und Reflexionen ineinander, ein begnadeter Rhythmiker ist er nicht – das zeigt ein Blick auf jene Originale, die sich im Netz finden lassen. Zudem hat er einen Hang zu Pointen und zu Formulierungen, aus denen im Deutschen schwere Genitivkonstruktionen werden, die „Weiten eines Verlangens“ etwa oder die „Hemmungslose Sehnsucht unserer Ahnungslosigkeit“. Es ist spannend, wie er sich mit seinen Gedichten der Prosa annähert, aber ausgerechnet ein Zyklus von tatsächlichen Prosagedichten, „Herbst in Gerona Prosa“, verliert sich in trockenen Abstraktionen über Autor und Text.

Bolaño kann mit Ironie spielen und er findet bisweilen intensive Bilder für die Wege seiner Figuren – „wo sich die Zeiten überschneiden und vermischen“. Aber das sind lichte Einsprengsel in einem ansonsten eher wenig legendären Band.

Roberto Bolaño: Die romantischen Hunde. Gedichte. Aus dem Spanischen von Heinrich von Berenberg und Christian Hansen. Hanser München 2017. 173 Seiten, 20 €.

Nico Bleutge

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