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Kultur: Gefällt mir nicht

Freundesfalle: Diskussion über Facebook im Oberholz

Oh, St. Oberholz. Wenn das die Herren Lobo und Friebe wüssten. Dass hier irgendwann die Nörgler einfallen würden – in diesen als Szenekneipe getarnten Apple-Showroom. Sascha Adamek ist einer von ihnen. Der Journalist hat ein Buch geschrieben, dessen Titel eigentlich schon alles sagt: „Die Facebook-Falle. Wie das soziale Netzwerk unser Leben verkauft“. Es folgen 300 Seiten solide deutsche Recherchearbeit: Adamek hat Juristen und Programmierer befragt, mit Pressesprechern diskutiert, Lobbyisten nachgestellt. Er hat bei Scheinadressen geklingelt, sich durch Kleingedrucktes gekämpft und in Selbstversuche gestürzt. Fazit: Trau, schau, wem.

Ins Oberholz hat Adamek nun prominente Unterstützer eingeladen, darunter den Datenschützer Thilo Weichert und den Streetview-Aktivisten Jens Best. Trotzdem verläuft das Podiumsgespräch zunächst mäßig erhellend: Facebook hat es auf uns abgesehen, „Friends“ sind gar keine echten Freunde, und neben Adressbüchern werden auch E-Mails gescannt, Profile erstellt, Inhalte zensiert. Andererseits will niemand seinen Account beim Marktführer hergeben. „Das ist doch hier nur das übliche Halali“, schimpft irgendwann Jens Best, dabei gehe es um etwas viel Grundsätzlicheres: „Facebook ist eine unfreie Version des Internets!“

Tobias Leingruber sieht das ähnlich. Der 26-Jährige ist Kommunikationsdesigner und Webkünstler, auf der diesjährigen Transmediale hat er einen „Facebook Resistance“-Workshop angeboten (www.fbresistance.com). „Facebook will unser komplettes Identitätsmanagement übernehmen“, sagt Leingruber. Und zwar auf sehr autoritäre Art. Das fange schon beim Design an: Das Netzwerk zwängt alle in die gleiche Schablone, bestimmt die Spielregeln der Selbstdarstellung und der Interaktion.

Auch Leingruber schreibt dagegen an, nicht mit Büchern, sondern mit Codes. Mit der Künstlergruppe Free Art & Technology (F.A.T.) rückt er den Global Playern mit kleinen Programmen auf den Leib. Die Projekte wirken harmlos und verspielt, haben aber eine politische Botschaft: „Hands-on Code“ – nehmt die Programmierung wieder selbst in die Hand! Beispiel „Gefällt mir“-Daumen: Facebook erlaubt nur Zustimmung, „aber das passt gar nicht zur deutschen Mentalität.“ Deshalb gibt es in Leingrubers Facebook-Version neuerdings auch einen „Gefällt mir nicht“-Button. Es wird vielleicht nur ein kurzer Spaß. Denn wenn es nach Thilo Weichert geht, gibt es den Daumen in Deutschland sowieso nicht mehr lang. Der Grund: Alle Webseiten, die die „Gefällt mir“-Funktion einbetten, ermöglichen Facebook das Platzieren von Cookies und das Auslesen von Surfverhalten – bei allen Besuchern der Seite. Mit deutschem Datenschutz ist das unvereinbar.

Im Publikum meldet sich ein junger Mann. Ob auch die Bloggerszene Abmahnungen fürchten müsse? Weichert wird unwirsch: „Entschuldigung, aber wenn man so doof ist, die eigene Traffic freiwillig an Facebook auszuliefern …“ Der Blogger setzt sich kleinlaut wieder hin. Das hat man davon, wenn man sich den Feind ins Haus holt. Astrid Herbold

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