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Kultur: Gefühl und Kalkül

Wettbewerb: Alan Parkers „The Life of David Gale“

Alan Parker ist ein Meister der Emotionen. Meiner Emotionen. Er weiß genau, in welche Gemütsregungen er sein Publikum versetzen möchte und welche Verführungskünste er anwenden muss, um es an der kurzen Leine zu halten. Ob Rührung, Verwirrung, Spannung oder Empörung: In Parkers Kino sind das unvermeidliche Reaktionen auf gezielt ausgesandte Reize. Wenn also zu Beginn von „The Life of David Gale“ eine atemlos panische Kate Winslet durchs Bild läuft, bangen wir sofort mit. Und wir wissen: Dies ist ein Wettlauf mit der Zeit, ein Wettlauf um Leben und Tod, um Gut und Böse.

Denn Alan Parker („Midnight Express“, „Mississippi Burning“) ist gleichzeitig Moralist. Ein konservativer Moralist mit klugem Kopf, der auf der Klaviatur der Genres virtuos zu spielen weiß und sie dazu nutzt, um brisante politische Thema zu verhandeln. Diesmal geht es um die Todesstrafe: David Gale (Kevin Spacey), Uni-Dozent und engagierter Todesstrafengegner, unterliegt im TV-Streitgespräch mit dem Gouverneur von Texas. Der wischt Gales liberale Thesen mit der Frage nach auch nur einer einzigen Hinrichtung eines Unschuldigen vom Tisch – und Gale muss passen. Kurze Zeit später sitzt er selbst in der Todeszelle, weil er seine Mitstreiterin Constance (Laura Linney) vergewaltigt und ermordet haben soll. Er bittet die Starreporterin Bitsey Bloom (Winslet), seine Unschuld zu beweisen. Bis zur Hinrichtung bleiben ihr und ihrem Assistenten (Gabriel Mann) vier Tage Zeit.

In einem langen Aufsatz begründet der britische Regisseur, warum er gegen die Todesstrafe ist und erwähnt, dass Präsident George W. Bush als Gouverneur von Texas für 146 Hinrichtungen verantwortlich zeichnete. Parkers Film erzählt eine andere Geschichte. Gut, das Ende eines Thrillers soll man nicht verraten, so viel muss dennoch gesagt sein: Todesstrafengegner, suggeriert Parker, sind Fanatiker, die für ihre Überzeugung über Leichen gehen. Schlimmer Finger, dieser Gale.

Parker konstruiert (nach dem Drehbuch von Charles Randolph) einen Fall und dazu Figuren, die etwas beweisen sollen. Die Beweislast erdrückt die Fiktion: Der muntere Kevin Spacey, die energische Winslet – gefangen im engen Raster ihrer Rollen. Wer dann noch Parkers Filmsprache entziffert, erschrickt. Über die Bilder von im Schlamm spielenden mexikanischen Schmuddelkindern. Über die Bilder vom Sex, der jedes Mal katastrophale Folgen hat. Bilder sind keine Argumente. Wer sie darauf reduziert, beraubt sie ihrer visionären Kraft. Übrig bleibt das Ressentiment.

Heute 12.30 und 19.30 Uhr (Berlinale-Palast), morgen 9.30 und 23.30 Uhr (Royal Palast), 20 Uhr (International)

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