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Kultur: Geistes Fülle

Dem Verleger Wolfgang Beck zum 70.

Wenn der Verleger das unbekannte Wesen hinter der aufgeregten Welt von Büchern und Autoren ist, dann entspricht Wolfgang Beck dieser Rolle wie kaum ein anderer. Denn Beck ist die Zurückgenommenheit selbst. Ein grauer Bürstenkopf, leise im Ton, sich allenfalls von Zeit zu Zeit ein ironisches Aufgeschrecktsein leistend, wirkt er wie ein Intellektueller, der gerade aus seiner Studierstube in eine lärmende Öffentlichkeit getreten ist. Dabei ist der Mitgesellschafter des Münchner C.H. Beck-Verlags und Leiter von dessen geistes- und kulturwissenschaftlichem Programm der Vater einer imponierenden verlegerischen Erfolgsgeschichte.

Seitdem der Jüngere der beiden Brüder Beck, die heute den Verlag führen, 1972 in den Verlag eintrat, hat er diese Sparte zu einer der raren sicheren Bastionen in einer Verlagslandschaft gemacht, die von medialen Erdbeben und der grundstürzenden Veränderung des Leseverhaltens erschüttert ist. Zwar hatte der Verlag schon vorher geisteswissenschaftliche Werke verlegt. Hier erschien Egon Friedell wie, heute mit gemischten Gefühlen gesehen, Oswald Spengler. Aber nun wurde das Programm konsequent zu einem Hort wissenschaftlicher Literatur und anspruchsvoller Sachbücher, darauf gerichtet, ein, wie Beck formuliert, „tiefergehendes Orientierungs- und Informationsbedürfnis“ zu erfüllen. Es kann längst den Anspruch erheben, eine eigene, unverwechselbare Größe im intellektuellen Deutschland zu sein.

Nicht zuletzt hat Beck Ecksteine eines sich herausbildenden Geschichtsbildes gesetzt. Hier erschienen die deutschen Geschichtssummen von Thomas Nipperdey, Hans-Ulrich Wehler und Heinrich August Winkler, dazu die Bücher Gordon Craigs, der den Deutschen den amerikanischen Spiegel vorhielt. Aber das Spektrum der Verlags-Produktivität wurde auch markiert mit Werken zur Geschichte von Juden und Judentum sowie über den Islam. Wer ins aktuelle Herbstprogramm blickt, kann Bücher zur Zeitgeschichte und dem Mittelalter ebenso entdecken wie popularisierende Werke zur Mathematik und Physik. Das alles mutet an wie der Versuch einer Kanon-Bildung in einer Zeit, in der sich die Bildungs-Maßgaben auflösen. Tatsächlich unternimmt es der Verlag, in erstaunlicher Breite das kulturelle Wissen unserer Zeit aufzufangen, das in den Universitäten und Instituten aufläuft, und es an den Leser zu bringen. Vielleicht ist es dieser Ehrgeiz, der dem betäubend vielfältigen Angebot einen Hauch von Zusammenhang verleiht. Vielleicht ist es aber auch der Umstand, dass der Resonanzboden ein Familien-Unternehmen ist, das 1763 gegründet wurde und die Initialen im Verlagstitel dem Vorvorfahren verdankt, der den Verlag von 1802 an führte. Ganz sicher verdankt sich diese Qualität der Anstrengung des Verlegers Wolfgang Beck. Am heutigen Donnerstag wird er 70 Jahre alt. Hermann Rudolph

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