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Odo Marquard an seinem Arbeitsplatz, 2005.

© Imago

Geisteswissenschaften: Philosoph Odo Marquard gestorben

Ein großer deutscher Geisteswissenschaftler: Der Gießener Philosoph Odo Marquard ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Zeitlebens hatte er sich für eine Philosophie eingesetzt, die auch Nicht-Philosophen verstehen.

Der Gießener Philosoph Odo Marquard ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Er starb am vergangenen Samstag, wie die Universität Gießen am Montag mitteilte. Die Todesursache wurde nicht genannt. Marquard lehrte von 1965 bis 1993 in Gießen. „Marquard hat weit über die Universität hinaus in die Mitte der Gesellschaft gewirkt“, erklärte Unipräsident Joybrato Mukherjee.

Marquard wurde 1928 in Stolp in Pommern geboren und kam direkt nach seiner Habilitation in Münster nach Gießen. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er mit seiner „Kompensationstheorie“ der Geisteswissenschaften bekannt. In einem legendären Vortrag beschrieb er 1973 die Geschichte der abendländischen Philosophie als die eines unaufhaltsam voranschreitenden Verlusts an Ansehen und Kompetenz. In der Antike, hieß es dazu einmal in einer Rezension von Marianna Lieder im Tagesspiegel, seien Philosophen noch Alleswisser und Alleskönner gewesen, Mathematik gehörte ebenso in ihren Zuständigkeitsbereich wie praktische Lebenshilfe. Ihre Glaubwürdigkeit und ihren Einfluss habe die Philosophie jedoch nach und nach an die Theologie, an die empirischen Wissenschaften und die politischen Emanzipationsbewegungen verloren. Übrig geblieben sei "allenfalls die Fähigkeit, die eigene Inkompetenz zu bemänteln und zu kompensieren, eben die ,Inkompetenzkompensationskompetenz' “ . Eine Kernthese Marquards lautete aber auch: „Je moderner die moderne Welt wird, desto unvermeidlicher werden die Geisteswissenschaften“. Immer wieder erntete der Skeptiker auch viel Kritik.

Der humorvolle Marquard bemühte sich in seiner Arbeit um eine verständliche und alltagstaugliche Sprache. Er zählt zu den meistübersetzten deutschen Philosophen der Gegenwart. „Philosophie muss von der Art sein, dass zumindest der Autor sie versteht“, hatte Marquard kurz vor seinem 80. Geburtstag gesagt. Zu seinen Veröffentlichungen zählen „Abschied vom Prinzipiellen“, „Skepsis und Zustimmung“ sowie, anlässlich seines 75. Geburtstags, der Essayband „Zukunft braucht Herkunft“. Tsp/dpa

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