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Kultur: Geld für nichts

Über die Lust und die Schwierigkeiten, konzeptuelle Kunst zu erwerben

Kunstkauf scheint eine einfache Sache zu sein, vorausgesetzt, man hat das nötige Kleingeld: Man geht in eine Galerie oder auf eine Messe, entscheidet sich für ein Gemälde, eine Skulptur, eine Fotografie, ein Video oder gar für eine raumfüllende Installation. Was man dann mit nach Hause nimmt, entspricht eins zu eins dem, was man gesehen hat und stellt den neuen Besitzer lediglich vor das Problem, daheim den richtigen Ort dafür zu finden.

Viel komplizierter verhält es sich bei zeitgenössischer konzeptueller oder performance-orientierter Kunst. Hier kann man das Werk nur über Umwege in seinen Besitz bringen, etwa die Rechte an einer Arbeit oder ein Zertifikat mit Handlungsanweisung erwerben. Im Extremfall bekommt man so gut wie nichts. Den Düsseldorfer Kunstsammler Axel Haubrok erinnert nur ein Parkzettel mit der Adresse eines Notars und der Kontoauszug mit der Überweisung an die Galerie an den Erwerb der frühen Arbeit „This is Propaganda“ von Tino Sehgal. Der 1976 in London geborene und in Berlin lebende Künstler, der 2005 den deutschen Pavillon der Biennale in Venedig von Akteuren bespielen ließ, verweigert die fotografische oder filmische Dokumentation seiner Arbeit – und damit auch dem Sammler die Jagdtrophäe an der Wand.

Wie kompliziert das Procedere in Sehgals Fall ist, erlebte im November auch die Ankaufskommission der Bundeskunstsammlung, als die sich zum Kauf seiner Arbeit „This This“ entschloss. Bei einer langen Sitzung mit dem Künstler und seinen Galeristen besiegelte schließlich ein anwesender Notar den Kauf ohne irgendeinen schriftlichen Nachweis für den neuen Besitzer.

Was die Kommission erworben hat? Ab kommender Woche werden für drei Jahre täglich Mitarbeiter des Umweltbundesamtes in Dessau mit Schülern kommunizieren. Eine eigens engagierte und vom Künstler eingewiesene Trainerin stellt die Kontakte zwischen Amt und Schulen her und gibt Anleitungen, wie die Treffen und der Austausch ablaufen sollen. Kunstfreunde haben keinen Zutritt, denn die „Behördenarbeit“ ist nicht öffentlich. Verborgen bleibt auch ihr Preis, aber Werke von Tino Sehgal rangieren laut seiner Kölner Galerie Johnen + Schöttle zwischen 8000 und 60 000 Euro.

Ganz neu sind solche werkimmanenten Strategien nicht – obgleich frühere Konzept-Künstler nicht ganz so rigide vorgingen. 1974 erwarb das Hamburger Sammlerpaar Elisabeth und Gerhard Sohst eine Wandarbeit des Minimal-Altmeisters Sol LeWitt. Sie bestand aus einem Zertifikat und einer minutiösen schriftlichen Anleitung, die es den Sammlern erlaubt, die Zeichnung selbst auf die jeweilige Wand zu bringen. Bei einem ersten Versuch ging den Besitzern dabei noch der frühere Galerist Paul Maenz zur Hand. Es sollte nicht die einzige Arbeit in der Sammlung bleiben, die Mitarbeit einfordert: Auch Lawrence Weiner verkauft lediglich die Rechte an seinen Schriftbildern und bedient sich dabei eines New Yorker Notars. Wird der Verkauf seiner Wortarbeiten aktenkundig, hat der Besitzer das Recht, Weiners „Statements“ in andere Sprachen und auch Dialekte zu übersetzen oder sie an einer Hausfassade in beliebiger Größe anzubringen. Den Reiz, eine solche Arbeit zu besitzen, bringen die Sammler Sohst auf den Punkt: „Es ist spannend ein Werk zu haben, dass sich jenseits der Wahrnehmung über eine geistige Auseinandersetzung erschließt.“

Mischen diese Künstler bei der scheinbaren Enthaltung dennoch kräftig auf dem Kunstmarkt mit, geht es der 1962 geborenen Maria Eichhorn eher um gesellschaftliche Prozesse. Aktuell würde das Van Abbe Museum in Eindhoven gern ihre für die Documenta 11 geschaffene Arbeit „Aktiengesellschaft 2002“ erwerben. Zum Verkauf stehen allerdings lediglich die Präsentationsrechte. Der Sitz der Aktiengesellschaft, die in diesem Fall nicht auf Profit aus ist, sondern trotz der Spielregeln der Wirtschaftswelt allein sich selbst gehört, bleibt in Berlin. Das Museum übernimmt die Kosten für den Unterhalt der Gesellschaft mit einem Kapital von 50 000 Euro, und sein Direktor Charles Esche sorgt als neues Aufsichtsratsmitglied für ihr weiteres wertfreies Gedeihen. Das geistige Eigentum bleibt – wie immer – beim Künstler.

Claudia Herstatt

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