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Kultur: Geld ja – aber nur mit guten Büchern

Zum Tod des New Yorker Verlegers Roger Straus

Wenn man die nüchternen, fast schäbigen Büros des Verlags Farrar, Straus & Giroux in New York betritt, sieht man als Erstes die gerahmten Urkunden des American Book Award, des Pulitzer Preises, des Critics’ Circle Award. Von Nobelpreisen ist nichts zu sehen, auch wenn der Verlag durch Joseph Brodsky, Nadine Gordimer oder Czeslaw Milosz mehr davon als alle anderen hat. Roger Straus, der am Dienstag mit 87 Jahren gestorben ist, war wie alle Verleger auch ein Geschäftsmann. Aber – und das unterschied ihn von den meisten amerikanischen Verlegern – er wollte sein Geld nur mit guten, literarischen Büchern verdienen. In diesem Sinn war die Institution Roger Straus sehr europäisch, auch in ihrem Beharren auf Unabhängigkeit. 1946 gegründet, wurde der Verlag fünf Jahrzehnte von Straus als Privatperson geführt, bis er ihn 1994 an die Stuttgarter Verlagsgruppe Holtzbrinck verkaufte, unter Wahrung seiner Entscheidungskompetenz. Er war ein großer Verleger. Und ein großzügiger Mann.

Bei jedem meiner Besuche in New York, Frühjahr und Herbst, lud er mich zum Lunch oder Dinner ein. Es ist mir nicht einmal gelungen, die Rechnung an mich zu reißen. „Du bezahlst in Berlin“, sagte er dann, obwohl er natürlich nie nach Berlin kam. Er hatte einen sarkastischen Witz, und es machte Spaß, mit ihm über unsere lebhafte Branche zu sprechen, nur dass man immer in der Sorge lebte, dass er diesen Humor auch gegen einen selber wenden könnte.

Mit Sorge haben seine Freunde erlebt, wie er schwächer wurde. Im letzten Herbst kam er noch einmal nach Frankfurt, weil seine Autorin Susan Sontag den Friedenspreis bekam. Zu unserem verabredeten Mittagessen im Februar konnte er nicht kommen. Wir alle, die deutschen Verleger, die ihn kannten, trauern tief um ihn. Er war in unserem Dasein eine fast überlebensgroße Gestalt. Auch New York ist ohne ihn kaum vorstellbar.

Der Autor leitet den Berlin Verlag.

Arnulf Conradi

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