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Kultur: Geld oder Gorki

Warum Intendant Armin Petras gehen will

Berlin schien zuletzt eine Stadt der glücklichen, vor allem finanziell zufriedenen Theatermacher zu sein. Kaum irgendwo wurde im Vorfeld der Wahlen der Ruf nach mehr Geld laut, nicht mal vom notorischen Herrn Peymann am Berliner Ensemble. Aber jetzt hat die Stadt ihre nächste Kulturmisere, die natürlich eine Sache der Miesen ist, wie schon der Abschied von Shermin Langhoff Richtung Wiener Festwochen.

Armin Petras will ab 2013 das Maxim Gorki Theater Richtung Staatsschauspiel Stuttgart verlassen, wo man mehr Geld hat. Als „entscheidenden Impuls“ dafür nennt er nun im Gespräch die Unterfinanzierung seines Hauses. Da wundert man sich natürlich. Wieso hat der Intendant, sonst nie um deutliche Worte verlegen, nicht eher die Kampfgeschütze am Festungsgraben aufgefahren? „Zum einen bin ich nicht Pressesprecher, sondern Regisseur“, entgegnet Petras. Zum anderen habe es stets sehr hoffnungsvoll stimmende Gespräche mit der Politik gegeben, gerade mit Kulturstaatssekretär André Schmitz. Und diese Hoffnung ist nun erloschen? „Das kann man nicht anders sagen. Sonst hätte ich diesen Schritt nicht vollzogen“, so Petras. Berlins noch Regierender Kultursenator Klaus Wowereit kann sich darüber nur wundern. „Petras hat gewusst, wie viel Geld er kriegt. Das stand ja in seinem Vertrag.“ Wenn es ihm zu wenig gewesen sei, hätte er die Stelle gar nicht antreten sollen. „Aber Reisende soll man nicht aufhalten,“ so Wowereit.

Was der 47-jährige Intendant einräumt: Die finanziellen Schwierigkeiten am Gorki, das Petras 2006 übernahm, sind nicht neu. Schon sein Vorgänger, Volker Hesse, hatte mit hohen Bilanzdefiziten zu kämpfen. Petras gab er zum Amtsantritt die wenig aufmunternde Prognose mit: „Du kannst hier gar kein Theater machen.“ Er sei aber mit der Losung angetreten: Wir schaffen das mit weniger Geld. Was auch gelang, mit einer Verdoppelung der Premierenzahl schon im ersten Jahr. Allerdings ist dem Gorki, glaubt man Petras und dem Geschäftsführer Klaus Dörr, mittlerweile genau das zum Verhängnis geworden, was zunächst die Budgetierung aufbesserte und zu einer Art Markenzeichen des Theaters wurde – die hohe Zahl an Koproduktionen und Kooperationen mit anderen Bühnen und Festivals.

Petras, der Unermüdliche, inszeniert ja an so ziemlich jedem Theater zwischen Frankfurt und Dresden und holt die Arbeiten dann ans Gorki. „Was wir als Ergänzung zur bestehenden Struktur erfunden haben, hat sich zum Zwang verkehrt“, bedauert er. „Wir können vielfach gar nicht mehr anders produzieren.“ Dazu komme das Problem, so Dörr, dass man zwar stets Talent bei der Akquise von Projektmitteln hatte, etwa von der Bundeskulturstiftung oder aus dem Hauptstadtkulturfonds. Aber darauf, dass die Anträge bewilligt würden, könne man sich nicht verlassen.

Dörr spricht im sachlichen Ton des Zahlenfachmanns von 800 000 Euro Zusatzausgaben, die das Gorki inzwischen pro Jahr aus dem Gesamtetat kompensieren müsse – bei gleichbleibenden Subventionen in Höhe von 8,3 Millionen. Die Summe setzt sich zusammen aus Tariferhöhungen, die nicht ausgeglichen wurden, aus Umzugskosten der Werkstätten und vielem mehr. Zwar habe das Haus die Eigeneinnahmen schon von 1,2 auf 2,2 Millionen Euro steigern können. Aber seit März hat Dörr eine Haushaltssperre verhängt. Jede Rolle Klopapier sei genehmigungspflichtig, stöhnt er. Um keine Stellen streichen zu müssen, werde es fortan so gut wie keine Eigenproduktionen mehr im Studio geben. Auch die Zahl der Premieren im großen Haus wird in dieser und der nächsten Saison reduziert.

Armin Petras hofft nun, durch seinen Weggang ein deutliches Signal an die Politik zu setzen. Und er ist sich sicher, dass sein Nachfolger das Haus mit einem höheren Etat übernehmen kann. In der Kulturverwaltung gibt man sich wortkarg dazu. Über Finanzielles verhandele man mit den Intendanten direkt, sagt Sprecher Torsten Wöhlert, ansonsten gelte: „Petras hat einen Vertrag bis 2016.“ Das freilich kennt man aus dem Fußball. Wo ein Wechselwille ist, ist auch ein Weg. Patrick Wildermann

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