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Kultur: Geld und Glaube

Das Beste zu Beginn: die Frühjahrsauktionen bei Christie’s und Sotheby’s

Kunst für fast zwei Milliarden Dollar haben die Auktionshäuser in diesem Frühjahr im Angebot. Dafür könnte man heute schon ein paar kollabierte Banken kaufen. Die Investment Bank Bear Stearns etwa, die im März für 236 Millionen Dollar übernommen wurde – den Preis von drei, vier Spitzenlosen der New Yorker Contemporary Auktionen in der nächsten Woche. Bear Stearns hatte über Nacht 93 Prozent des Wertes verloren. Nicht einmal die größten Kassandrarufer sagen dem Kunstmarkt einen solchen Einbruch voraus.

Aber an düsteren Prognosen mangelt es nicht. Laut Artprice.com sind die Kunstpreise im ersten Quartal global um 7,5 Prozent gesunken. Starsammler Eli Broad in Los Angeles findet, dass die Kunstpreise jetzt hoch genug sind. Kenny Schachter, der Londoner Kunsthändler, schreckte die Szene mit seinem Nachruf auf die Art Cologne, wo er an seinem Stand kein einziges Werk verkaufte. „Nachdem der Kunstmarkt in den letzten zehn Jahren mehr Wachstum sah als in den 100 Jahren zuvor, stehen wir nun vor dem Rückschlag. Er könnte massiv werden“.

Die Auktionshäuser sind gewarnt. Christie’s-Experte Brett Gorvy beschreibt die Situation als „herausfordernd“. Sotheby’s-Kollege Oliver Barker weiß um die Spekulationen auf einen Marktkollaps. „Deshalb haben wir die Contemporary Auktion wirklich kuratiert und sehr intelligent Kunst von Museumsqualität zusammengestellt“, erklärt er ohne falsche Bescheidenheit. Mit großer Geste zeigt er auf Meisterwerke der Sammlung Lauffs, die für das Krefelder Kaiser Wilhelm Museum bestimmt war. Aber nun kostet so ein Yves Klein fünf bis sieben Millionen Dollar – zu teuer für ein Museum, das nicht einmal Geld für die Klimaanlage hat.

Um die Ecke hängen die Stars: ein Triptychon von Francis Bacon, das der König der französischen Weinbauern, Christian Moueix eingeliefert hat und das mit 70 Millionen Dollar den Wert einer kleinen Bank hat. Mark Rothkos „Orange, Red, Yellow“ soll ebenfalls um 70 Millionen Dollar bringen. Die Strategie lautet: weniger, aber teurer. Nie waren die Topauktionen so vorsichtig gemanagt. Keine Risiken mit gehypten Jungmalern. Mittelware wird, mit sorgfältig nach unten massierten Schätzungen angeboten, die Luxuskategorie ist mit Preisgarantien für die Einlieferer gestützt. Jedes Bild hat sein eigenes Marketing. Hier wird nicht nur Kunst verkauft. Die Prestigeauktionen sind Public-Relations-Kampagnen, in denen Vertrauen in die Geldanlage Kunst produziert wird. Es braucht für einen hohen Auktionspreis nur ein paar Leute mit Geld und dem Glauben, dass es sich, wie Barker beteuert, „um unwiederbringliche Meisterwerke“ handelt.

Bei den Impressionisten ging das Konzept diese Woche auf. Monets „Le Pont de chemin de fer à Argenteuil“ war laut Christie’s-Präsident Jussi Pylkännen „eines der letzten käuflichen Impressionistengemälde“. Mag Christie’s mit seiner Abendauktion die Schätzung verfehlt haben. Mögen 15 Werke zurückgegangen sein, weil die Käufer vorsichtiger sind. Der Monet belegte, dass große Kunst eine gute Geldanlage ist: Ein kalifornischer Händler erwarb das Gemälde 1963 für 77 000 Pfund. Nun bezahlte ein anonymer Telefonkäufer 40 Millionen Dollar.

Es gab Höchstpreise für Skulpturen: Giacomettis riesige „Grande femme debout II“ erzielte 27,4 Millionen Dollar durch die Gagosian Galerie, Rodins „Eva“ kostete fast 19 Millionen Dollar. Bei Sotheby’s wurde Fernand Légers „Etude pour la Femme en Bleu“ aus dem Nachlass des Krefelder Sammlers Hermann Lange auf 39,2 Millionen Dollar gesteigert. Genug um zu beweisen, dass die Geldanlage Kunst weiter Zukunft hat.

Im April haben zwei Kunsthändler, offenbar der Branchenführer Gagosian und das Händlertrio Giraud, Pissarro, Ségalot für Kunst aus dem Nachlass der Händlerin Ileana Sonnabend 600 Millionen Dollar bezahlt. Die Krefelder Sammlung Lauffs, Wert 400 Millionen Dollar, wurde zwischen Sotheby’s und den Händlern Hauser & Wirth und David Zwirner aufgeteilt: Solche Transaktionen deuten nicht auf einen baldigen Zusammenbruch. Bei den Contemporary Auktionen nächste Woche haben 15 Lose Schätzungen über zehn Millionen Dollar – zwei Bacons, zwei Warhols, zwei Rothkos. Werke von Basquiat, Gerhard Richter, Jeff Koons, Roy Lichtenstein und Lucian Freud: alles bewährte „Blue Chips“. Kunst, die im Trend liegt.

Eine Neuheit hat Christie’s allerdings: Als Los 42 wird das „Kauffmann House“ versteigert, 1945 von Architekt Richard Neutra entworfen. Das kalifornische Wüstenhaus gilt als Juwel der amerikanischen Moderne. Schätzung 15 bis 25 Millionen Dollar. Superreiche sammeln inzwischen auch Architektur.

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