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Generation: Jugendfilmreihe erzählt von Verlusten – und macht Hoffnung

28 Kinder- und Jugendspielfilme und ebenso viele Kurzfilme haben Programmleiterin Redpath und ihr Team für die Sektion Generation ausgewählt. Es geht um Verluste, um Zurücklassen und Verlassenwerden.

Von Maris Hubschmid

Geboren heißt verlassen werden. Niemand weiß das besser als Joy. Sie ist im Heim aufgewachsen, kennt ihre Eltern nicht. Das Unwissen über ihre Herkunft verleidet der jungen Frau die Gegenwart und droht, ihr die Zukunft zu verbauen. Die niederländische Produktion „Joy“ ist typisch für die Filme der Sektion Generation. 28 Spielfilme und ebenso viele Kurzfilme haben Programmleiterin Maryanne Redpath und ihr Team ausgewählt. Es geht um Verluste, um Zurücklassen und Verlassenwerden. Alle müssen sie auf ihre Art Abschied nehmen, die jungen Protagonisten, und sei es von einer verzweifelt umklammerten Idee.

Nicht immer ist das formal befriedigend gelöst. Das Schicksal des kleinen Big Ear, dem eine Leukämie seinen heiß geliebten großen Bruder raubt, wäre weniger pathetisch inszeniert nicht minder anrührend. Da meint es Regisseur Alex Law mit „Echo des Regenbogens“ eine Spur zu gut. Auch andere Filme bleiben hinter den Möglichkeiten ihrer Story zurück, so die Scheidungskindergeschichte „Yuki und Nina“ oder das norwegische Abschiebungsdrama „Rafiki“. Wie viel darf man Kindern zumuten? Ernste Themen kindgerecht aufzubereiten ist ein Balanceakt. Erfreulich, dass der Großteil der Auswahl im Wettbewerb K plus beweist, dass das zu schaffen ist.

Das Leben mit einem autistischen Bruder etwa stellt Anton in „Superbruder“ vor einige Herausforderungen. Birger Larsen macht deutlich, dass unnormal sein ein besonderes Geschenk sein kann. Eines der großartigsten und zugleich schwierigsten Werke kommt aus Korea und ist im Jahr 1975 angesiedelt. „Ein Neues Leben“ will der Vater seiner Tochter Jinhee schenken und lässt sie deshalb ohne Vorwarnung in einem katholischen Waisenhaus zurück. „Es geht nicht bloß um Adoption“ sagt Regisseurin Ounie Lecomte, die Teile ihrer eigenen Biografie verarbeitet, „sondern um den Verlust eines geliebten Menschen – ein universelles Gefühl.“

Die eindrucksvollsten Geschichten sind die leise erzählten, angefangen mit dem wunderschön bebilderten „Alamar“. Der Eröffnungsfilm begeistert durch einmalige Naturaufnahmen, überhaupt sind Landschaften sehr präsent im 33. Jahr. Absolut preisverdächtig ist die Dokufiktion „La pivellina“, eine österreichisch-italienische Produktion, die das missbilligte Leben der Wanderartisten im Rahmen einer Findelkindgeschichte beleuchtet.

Wer klassische Kinderfilme liebt, ist bei „Eep“ aus Dänemark wunderbar aufgehoben. Ein atmosphärisch dichter Film mit liebevollst gezeichneten Charakteren und würdiger Nachfolger von „Karlsson vom Dach“ im Kinder-können-fliegenSegment. Wenn Vogelkundler Warre und seine Frau ihren Zögling schweren Herzens gen Süden ziehen lassen, weil es wohl doch eher ein Vöglein ist, das wie ein Menschkind aussieht, als umgekehrt, möchte man sich sofort an „Viegelchens“ Stelle ins Kinderbettchen legen und umsorgen lassen.

In der Auswahl 14 plus sind Filme mit vergleichbarer Ironie und Heiterkeit selten. Zutiefst quälend ist der blass fotografierte, schwedische Beitrag „Sebbe“, in dem ein Halt suchender junger Mann nichts als Zurückweisung erfährt und seine bitteren Konsequenzen zieht. Auch der kolumbianische Film „Retratos en un mar de mentiras“ ist schwer auszuhalten. Marina durchlebt ihn immer wieder, den Tag, an dem ihre Familie starb. „In Lateinamerika nutzen Filmemacher zunehmend das Format der Coming-of-AgeStory, um gesamtgesellschaftliche Probleme zu transportieren“ sagt Maryanne Redpath. „Wir finden, sie machen das gut.“ Dass man auch andernorts das Potenzial zu nutzen weiß, zeigt „Dooman River“. Der Fluss Tumen trennt die hungernden Nordkoreaner von der armen Bevölkerung Chinas und verbindet sie, wenn er zugefroren ist. Kinder wie Alte begegnen in diesen Monaten Großzügigkeit und Gewalt, Vertrautem und Fremdem in denen von drüben.

Sie führen uns das Leid der Welt vor Augen, die Generation-Filme. Dieser Perspektivwechsel ist wichtig, vielleicht gerade für die jüngsten unserer Gesellschaft. Beim Blick in die Ferne darf dabei nicht vergessen werden: dass auch hierzulande Menschen dafür kämpfen müssen, bleiben zu dürfen, wo sie sich verankert fühlen. Hassan, Lial und Maradona Akouch zum Beispiel. „Neukölln Unlimited“ ist ihr Zuhause. Lial hat Glück: Ihre Aufenthaltsgenehmigung wird um drei Jahre verlängert, weil sie einen Ausbildungsplatz hat. Hassan hingegen droht der nahende Schulabschluss ein weitaus gravierenderer Einschnitt zu werden als seinen deutschen Mitschülern. Für den Rest der Familie könnte jedes Türklingeln die Ausweisung bedeuten, die Rückkehr in den Libanon. Vielleicht ist es soweit, wenn ihre Geschichte über die Leinwand läuft.

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