zum Hauptinhalt
Kämpft sich frei. Die Lehrerin und Mutter Manana (Ia Shugliashvili).

© Zorrofilm

Georgischer Film „Meine glückliche Familie“: Unerhörte Frauen

Ausflucht und Aufbruch: Der Spielfilm „Meine glückliche Familie“ beleuchtet die patriarchalische Gesellschaft in Georgien.

Alle meinen es gut mit Manana. Der Ehemann Soso lädt seine Freunde zu ihrem Geburtstag ein. Die Mutter Lamara diktiert ihr, was einzukaufen sei für das Festmahl. Man könnte meinen, dass die besorgten Angehörigen hier über eine sehr junge und total unbeholfene Frau verfügen würden, aber nein. Manana feiert ihren 52. Geburtstag; seit vielen Jahren lehrt sie an einem Gymnasium. Mit Soso und ihren betagten Eltern, dem 20-jährigen Sohn sowie der verheirateten Tochter Nino und deren Ehemann lebt sie in einer Dreizimmerwohnung in Tiflis. Drei Generationen auf engem Raum; Privatsphäre gibt es nicht – vielmehr herrscht ein unaufhörliches Gewusel, in dessen Zentrum sich Manana einem Sperrfeuer aus Belehrungen, Forderungen, Barmen und Klagen ausgesetzt sieht. Ständig wird sie in Anspruch genommen; was sie selbst möchte, fragt keiner. Wann wird Manana sich endlich wehren?

Das ist nicht vorgesehen in der patriarchalischen Gesellschaft, die der georgische Spielfilm „Meine glückliche Familie“ ebenso genau und unaufgeregt beschreibt wie Mananas unerhörten Ausbruch aus der verordneten Unmündigkeit. Die erste Szene zeigt die Lehrerin (Ia Shugliashvili) bei einer Wohnungsbesichtigung – zwei Räume für sie ganz allein. Aber nicht zufällig wird sie von der Vermieterin gefragt, ob sie Familie habe. Die Familie ist die höchste soziale Einheit in Georgien, und Mananas Großfamilie ist entsetzt nach ihrem Auszug. Ein ganzes Arsenal an Vorwürfen, aber auch Drohungen wird aktiviert: Das kannst du doch nicht machen! Was sollen die Leute denken! Was wird Soso (Merab Ninidze) nicht alles aus gekränkter Ehre anstellen!

Respekt für die Protagonisten

„Meine glückliche Familie“ ist ein Glücksfall von Film: Den durchweg großartigen Schauspielern bauen die beiden Regisseure Nana Ekvtimishvili und Simon Gross, die als „Nana & Simon“ firmieren, eine Bühne, und bei allem Gewicht des Themas wird nicht allein mit Respekt für die Protagonisten (Bildgestaltung: Tudor Vladimir Panduru), sondern auch ohne Einfühlungsnötigung und dazu mit Humor erzählt. Traditionen werden zur Diskussion gestellt, aber nicht generell verworfen, im Gegenteil: So strukturieren georgische Volkslieder die Erzählung, und bei einem Klassentreffen wird auch Abuladses gedacht, als auf die Toten angestoßen wird – Tengis Abuladse war einer der großen georgischen Filmregisseure.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Doch dies ist auch ein Film über drei Generationen von Frauen im heutigen Georgien: In den Figuren der Schülerin, von Lamara (Berta Khapava), Nino und Manana beleuchtet der Film ihr Verhältnis zueinander und deutet einen vorsichtigen Wandel an im tradierten Rollenverständnis. Dass Manana in einem geradezu heroischen Akt der Selbstermächtigung das eigene Dilemma überwinden kann, verdankt sie auch einer ihrer Schülerinnen, die wie viele andere ihres Alters sehr jung geheiratet hat und sich kürzlich scheiden ließ. Die Klarheit dieser jungen Frau ist letzter Anstoß für Manana, aus einer Gemeinschaft auszubrechen, die sozial wie finanziell zwar Schutz und Sicherheit bedeutet, in der jedoch jede Regung kollektiv bewertet, kontrolliert und die Frau und Mutter letztlich als Dienerin betrachtet wird. Allein die biologische Zugehörigkeit zur Familie legitimiert die ständige Einmischung aller Mitglieder.

Dass der Ausbruch aus dieser Gruppe enorme Kraft erfordert, ist Manana anzumerken. Halb resigniert, halb trotzig, dabei ruhig und unprätentiös kämpft sie sich aus der Bevormundung heraus. „Nana & Simon“ zeigen auch, wie die Lücke, die Manana hinterlässt, geschlossen und ihre einstige Rolle in der Familie neu zugewiesen wird – der künftigen Schwiegertochter.

Eiszeit, Filmkunst 66, Filmtheater am Friedrichshain, Hackesche Höfe, Passage, OmU: fsk, Krokodil, Wolf

Anke Westphal

Zur Startseite