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Kultur: Geplündert

„Rote Liste Afghanistan“ in Berlin vorgestellt

In Afghanistan ist mehr zerstört worden als die gigantischen Buddha-Statuen von Bamiyan im Jahr 2001. Dass es in dem nach wie vor unbefriedeten Land vordringlich um anderes geht als die Rekonstruktion der wohl für immer verlorenen Weltwunder, ist den wenigsten bewusst: Es geht um die Sicherung der noch vorhandenen Ausgrabungsfunde und die Auffindung gestohlener Kunstschätze.

Am Mittwoch wurde im Deutschen Historischen Museum Berlin die „Rote Liste Afghanistan“ vorgestellt, die der Internationale Museumsrat (Icom) als vierte seiner entsprechenden Serie erarbeitet hat. Um ein Welterbe handelt es sich bei den afghanischen Schätzen. Sie sind noch immer viel zu wenig erschlossen und noch weniger im öffentlichen Bewusstsein verankert. Die Botschafterin Afghanistans in Deutschland, Maliha Zulfacar, die während des Taliban-Terrors im Exil ausharrte, verwies in ihrer Einführung auf die Brückenfunktion, die ihr Land entlang der Seidenstraße stets zwischen Europa und dem Vorderen Orient in der einen sowie Indien und China in der anderen Himmelsrichtung gespielt habe.

Frucht des Austauschs ist insbesondere die graeco-baktrische Kultur, die auf Alexander den Großen zurückgeht. Auf griechische Philosophenköpfe folgen in einer Art Richtungswechsel frühe, hellenisch beeinflusste Buddha-Darstellungen. Sorgfältig geprägte Silbermünzen verweisen auf den damaligen Wohlstand. „Heute zählt Afghanistan leider zu den erstrangigen Zielen für organisierte Plünderungen“, rief die Botschafterin ihre Zuhörer in die Gegenwart zurück. Die „Rote Liste“, nicht mehr als ein Faltblatt, das 18 Kategorien gefährdeter Kulturgüter anhand von Beispielen vorstellt und in jedem Polizeirevier, bei jedem Armeetrupp zur Hand sein wird, soll den illegalen Kunstschmuggel eindämmen. Klein ist die Zahl der Erfolge nach den vorangegangenen drei „Roten Listen“ zu Afrika, Lateinamerika und dem Irak – aber immerhin ein Anfang. Ähnliches ist nun für Afghanistan zu hoffen.

Ein Film über das im Bürgerkrieg zerstörte, Ende 1988 unter sowjetischer Besetzung des Landes noch völlig intakte Kabul-Museum lässt erahnen, wie schwer die Zerstörung von 70 Prozent der Schätze die Identität eines Landes trifft, das einmal für Austausch und Toleranz stand.

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