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Kultur: Gerald Asamoah: Geboren am 3. Oktober

Wie weise, wie vorausschauend, dass Vater William seinerzeit in Mampong im Zentrum von Ghana seinem neugeborenem Sohn Kwabena den Vornamen Gerald vorangestellt hat. Das war am 3.

Wie weise, wie vorausschauend, dass Vater William seinerzeit in Mampong im Zentrum von Ghana seinem neugeborenem Sohn Kwabena den Vornamen Gerald vorangestellt hat. Das war am 3. Oktober, ein Termin, über den noch zu sprechen sein wird. Gerald also, was man - in der Amtssprache Ghanas - englisch aussprechen kann. Was man aber auch deutsch rufen kann, wie es der ethymologische Ursprung vorgibt: Gerald, althochdeutsch, von "ger", Speer, und "waltan", herrschen. Und das ist gut so. Denn ein bisschen Deutsch möchte schon sein, wenn einer 1978 in Ghana geboren wurde und 22 Jahre später in einem deutschen Kulturgut reüssieren soll: der Fußball-Nationalmannschaft. Gerald, das klingt fast wie Gerhard, und der ist Kanzler.

Seit Gerald Kwabena Asamoah am 29. Mai 2001 als erster Schwarzafrikaner für Deutschland sein erstes Länderspiel bestritt, ist die Begeisterung groß im Land. Die Blätter, vorweg "Bild", das Fachorgan für politische Korrektheit, überschlagen sich und begrüßen "Liebling Asamoah", fast ist es, als erschalle ein Jubelchor übers Land: "Hurra, wir haben einen Neger!"

Lieber einen Tirolerhut

Endlich, muss man wohl sagen, nachdem seinerzeit die deutschen Kolonien etwas leichtfertig aufgegeben wurden. Togo, Deutsch-Südwestafrika, das heutige Namibia, Ostafrika, das heute Tansania heißt, Tschingtau, das Bismarck-Archipel, das man heute Marshall Islands nennt, Kamerun - großer Gott, Kamerun mit seinen wunderbaren Fußballern, den "unbezähmbaren Löwen". Auf Jahre hinaus wären wir unschlagbar geblieben. Auch täte sich das Land heute wahrscheinlich etwas leichter mit Gerald Kwabena Asamoah, und all die Xenophobie, die sich nur schwerlich hinter dem Jubel verbergen kann, wäre längst der Gewohnheit gewichen.

Denn es bedurfte doch einiger Voraussetzungen, bis Gerald Kwabena Asamoah unser werden konnte. Voraussetzungen, die Erwin Kostedde und Jimmy Hartwig, beide Besatzungskinder, dunkelhäutig und Nationalspieler der siebziger Jahre, nicht erfüllten. Kostedde und Hartwig galten als Lebemänner, also als ziemlich undeutsch, akzeptiert wurden sie nie. Kostedde wurde, als er bei Borussia Dortmund unter Vertrag war, von seinem Trainer Otto Rehhagel zeitweise nur bei Auswärtsspielen eingesetzt, daheim in Dortmund machte die rechtsradikale Fan-Gruppierung "Borussen-Front" Stimmung gegen den dunkelhäutigen Stürmer. Rehhagel hat diese Stimmung dann hinübergerettet in die späten neunziger Jahre, als er Trainer war beim FC Bayern München. Vor einem Spiel gegen Hansa Rostock ermahnte er seine Zöglinge, doch besonders auf Jonathan Akpoborie aufzupassen, einen gebürtigen Nigerianer. "Denn, meine Herren, Sie wissen ja, die Neger wollen Ihre Arbeitsplätze."

Was Kostedde heute macht, ist nicht bekannt, außer, dass er mal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist. Und Hartwig taucht ab und zu als Karikatur und Billy Mo in Talkshows auf. Billy Mo, das war der, der in den Sechzigern per Schlager ankündigte, sich lieber einen Tirolerhut kaufen zu wollen, was die Republik damals sehr lustig fand. Mit Gerald Kwabena Asamoah aber verhält es sich anders. Der wird verehrt, akzeptiert, respektiert. "Wir brauchen mehr Asamoahs", rief Johannes Baptist Kerner beglückt bei seiner Reportage über Asamoahs zweites Länderspiel, "der verkörpert nachgerade verlorene deutsche Tugenden. Das mögen sie lustig finden oder nicht." Das finden wir gar nicht lustig, sondern verdächtig. Könnte es sein, dass dieser Asamoah nur deshalb verehrt, akzeptiert, respektiert wird, weil er so durch und durch deutsch Fußball spielt: arbeitsam, kämpferisch, diszipliniert, schnörkellos?

Bisher war das Stereotyp vom Schwarzen in Deutschland geprägt vom Bild des Drogendealers und Asylerschleichers. Auf dem Rasen definierten es die Werner Hanschs der Republik: verspielt (also ein Kindskopf), trickreich (also verschlagen), katzengleich (also animalisch). Dass der schwarze Mann in Fußballschuhen noch andere Vorzüge hat, verriet seinerzeit Lothar Matthäus, als er eine Gruppe junger Basketballerinnen per Handzeichen seine unter der Dusche erworbenen intimen Kenntnisse des körperlichen Zustandes von Rudolfo Valencia, seinem aus Kolumbien stammenden dunkelhäutigen Mannschaftskollegen, preisgab. Zu Beginn seiner Eindeutschung erfuhr Gerald Kwabena Asamoah ähnliche Wertschätzung. Er kam mit zwölf Jahren nach Hannover, wo er seine Jugend samt Realschule erlebte. Da, in der zweiten Liga bei Hannover 96, war er für die Wohlmeindenden der "stolze Krieger der Ashanti". Für die gegnerischen Fans von Energie Cottbus war er Ziel eines Bananenhagels. Und nach seinem Wechsel zu Schalke 04 für Manager Rudi Assauer "Blondie" - warum auch immer, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht, weil Hitler seinen Schäferhund so rief. Auch war er da noch Dscherald, erst mit seiner Beförderung zum Nationalspieler wurde er Gerald - "Unser Onkel Tom", wie die "Woche" formulierte.

Vor nicht allzu langer Zeit druckte Multikulti-"Bild" unter dem Titel "Ausländerstopp?" noch Mannschaftsfotos der Bundesligisten ab und x-te alle Nicht-Deutschen Spieler aus. Auch Asamoah. Aber jetzt brauchen wir ihn ja, den Malocher und Kämpfer, nun, da Deutschland mal wieder über ein paar Jungs verfügt, die nahezu brasilianisch mit dem Ball umgehen können. Da mag auch Gerhard Mayer-Vorfelder, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes nicht mehr hintanstehen. Als er noch Kultusminister in Baden-Württemberg war, hatte er seinen Landeskindern ein etwas stringenteres Nationalgefühl befohlen - zur sittlichen Stärkung mussten die Schulkinder frühmorgens vor dem Unterricht die Hymne zu singen. Allerdings nur die dritte Strophe. Heute freut sich Mayer-Vorfelder über Asamoahs Berufung und dieses klare "Bekenntnis zur multi-ethnischen Gesellschaft". Schön, dass Fußball-Präsidenten lernfähig sind.

Wir freuen uns ja alle. Obwohl, so ein bisschen Skepsis muss unter uns aufgeklärten Toleranzdeutschen doch noch erlaubt sein. Nochmal "Bild", das kurz nach Asamoahs Debüt seine Leser mit einer großen Landkarte von Afrika über die geografische Lage Ghanas aufklärte: "So stürmte er in unsere Nationalmannschaft." Womit klargestellt wäre, dass es sich immer noch um unsere Nationalmannschaft handelt und dass auch ein Asamoah dort hinein nicht einfach berufen wird, sondern dass er sie sich erstürmen muss in einem quasi imperialistischen Akt.

Und die Frage, wie er sich unsere Nationalmannschaft erstürmt hat, beantwortete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Leistung ist die Währung, nach der mit Zuwanderern hier abgerechnet wird, ob an der Werkbank oder auf dem Fußballplatz." Genau! Was sich die nigerianischen Tellerwäscher bei McDonalds gefälligst hinter die ungewaschenen Ohren schreiben sollten.

Dass sich in all dem Stolz auf Leistung, aufs Deutschsein ein kleiner Misston mischt, ist ärgerlich. Gerald Kwabena Asamoah heißt dieser Misston und geht völlig unverkrampft mit Deutschtum und Nationalgefühl um. Noch antwortet er brav: "Ich denke deutsch, ich träume deutsch, ich spiele deutsch." Aber schon bei der Frage, ob er stolz sei, ein Deutscher zu sein, sind erste Relativierungen zu hören: "Ich bin stolz, für Deutschland zu spielen." Dass er die Hymne nicht mitsingt, obwohl doch die Kamera auffordernd auf seinen Lippen verharrte, war auch nicht schön.

Das Herz spricht

Vollends als unsicherer Kantonist entpuppte sich Asamoah jedoch bei der Entscheidungsfindung, ob er nun für Ghana oder für Deutschland den Ball treten werde. Für Ghana eingeladen war er schon mal, kam aber nicht zum Einsatz und äußerte sich zudem unzufrieden über mangelnde Organisation. Soweit wäre es deutsch und in Ordnung gewesen. Aber dann hat er, der wegen einer Verdickung an der Herzscheidewand nur auf eigene Verantwortung Fußball spielen darf, erzählt, dass sein Gesundheitszustand nicht unwesentlich für Deutschland den Ausschlag gegeben habe. Die stänigen Reisen, so Freundin Linda, könnten seinem Herzen wegen des Klimawechsels schaden. Fragt sich, ob sein Bekenntnis zur Nation nicht einfach nur Ergebnis einer nüchternen Kosten-Nutzen-Kalkulation ist und er der erste ist, der die Nationaldebatte vom Pathos der Gefühle befreit.

Am 3. Oktober wurde Gerald Kwabena Asamoah geboren, am Tag der deutschen Einheit. Was auf jeden Fall ein Zeichen ist. Und wem das zu zufällig erscheint, dem sei ein Blick ins Geschichtsbuch geraten. Von 1612 bis 1717 unterhielt Brandenburg militärisch gesicherte Handelspunkte in Ghana. Irgendwie war das Land am Golf von Guinea also schon immer unser. Willkommen Gerald. Zum Toreschießen.

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