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Objektiv gesehen. Gerda Schimpf in den 1920er Jahren.

© Gerda Schimpf Fotoarchiv

Gerda Schimpf in der Villa Oppenheim: Bitte recht freundlich, Frau Bürgermeisterin

Neu zu entdecken: Die Villa Oppenheim zeigt Porträts aus der Nachkriegszeit von der Berliner Fotografin Gerda Schimpf.

Eine kleine Frau mit hellwachen Augen vor einer Wand mit überlebensgroßen Porträts. So zeigt eine der letzten Aufnahmen die Berliner Fotografin Gerda Schimpf im Alter von über 100 Jahren in ihrer Charlottenburger Wohnung. Kurz vor ihrem Tod 2014 erlebte sie noch die Wiederentdeckung ihres Werkes. Die Ausstellung „Sehen lernen“ in der Villa Oppenheim schöpft jetzt aus dem Nachlass und zeigt die Fotografin als Handwerkerin mit höchsten Ansprüchen an ihr Metier.

1913 in Dresden geboren, wuchs Gerda Schimpf in Leipzig auf, machte eine Ausbildung bei Dore Bartcky und wollte eigentlich Fotografie am Bauhaus Dessau studieren. Aber die Schule wurde 1933 von den Nationalsozialisten geschlossen. In Leipzig lernte Gerda Schimpf den Maler Max Schwimmer kennen. Seine feurig illustrierten Liebesbriefe an „Gerdine“ sollten viele Jahre dazu führen, dass die Öffentlichkeit auf Gerda Schimpf aufmerksam wurde.

Ganz ernst nahm die Fotografin die wort- und bildreiche Anbetung offenbar nicht. Sie ging nach Berlin, Schwimmer blieb in Leipzig. 1941 bezog Gerda Schimpf eine Wohnung am Kaiserdamm. Schon 1928 hatten Hans Scharoun und Georg Jacobowitz die Appartements für alleinstehende Großstädter konzipiert. Hier überstand Schimpf den Krieg gemeinsam mit Eva Schwimmer, der geschiedenen Frau ihres einstigen Verehrers. Wahlverwandtschaften seien ihr im Leben wichtiger gewesen als Familie, sagte sie später in einem Interview.

Louise Schröder schaut warmherzig in die Kamera

In der Ausstellung sind Porträts aus der Nachkriegszeit zu sehen. Die Bilder erinnern an eine kurze Zeitspanne, in der Frauen nicht nur die Trümmer aufräumten, sondern entscheidende Positionen in der Stadt besetzten. Gerda Schimpf fotografiert die britische Soldatin, die Ärztin, die Krankenschwester. Berufstätige Frauen wie sie mit ernsten Gesichtern, denen der Schrecken des Krieges unter die Haut gefahren ist. Louise Schröder, die erste Oberbürgermeisterin der Stadt, holt die Fotografin für eine Porträtaufnahme in ihren Amtssitz, damals noch im Roten Rathaus. Später erzählte Gerda Schimpf, während des Termins habe unaufhörlich das Telefon geklingelt. Aber Schröder schaut warmherzig und vollkommen entspannt in die Kamera.

Eine Vitrine präsentiert Lupe und Fotoapparat, Stempel und Visitenkarte. Schimpf richtet für kurze Zeit ein Studio am Witzlebenplatz ein. Aus Kostengründen verlegt sie die Arbeit dann aber in ihre Charlottenburger Wohnung, übernimmt Werbeaufträge und lehrt an der Fotoschule des Lette-Vereins. Die Ausstellung zeigt nur einen Ausschnitt des Werkes. Im Nachlass warten noch 12 000 Aufnahmen auf die Aufarbeitung. Alle so professionell archiviert, wie Gerda Schimpf ihr Leben lang gearbeitet hat. Der Schatz muss nur noch gehoben werden.

Villa Oppenheim, Schlossstr. 55, bis 23. April, Di bis Fr 10–17, Sa / So 1 0–17 Uhr.

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