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Gerie-Ausstellungl: Neonlicht der Zukunft

Sand auf dem Boden, Seide an der Wand: Matti Braun zeigt seine neuen Bilder in der Galerie Esther Schipper. Der Kölner Künstler ist als Grenzgänger zwischen den Genres bekannt

Erst kommt der Sand. Man spürt ihn gleich hinter der Tür zur Galerie Esther Schipper, weil es uneben unter den Schuhen wird und das Gehen anstrengend. Dazu das Gleißen der hellen, feinen Partikel überall auf dem Boden, die ihrerseits das Neonlicht zu schlucken scheinen – und den hartweißen Räumen einen seltsam diffusen Charakter verleihen.

Diese Strategie der Verunklarung führt Matti Braun in seiner mittlerweile fünften Ausstellung bei Esther Schipper konsequent fort. „Bo Lak“ versammelt 18 abstrakte Gemälde, die sich bei näherer Betrachtung als Seidenbilder erweisen – in ihrer zarten Farbigkeit und den feinen Übergängen eine echte malerische Herausforderung. Der in Köln lebende Künstler macht das selbst. Den Eindruck des Besonderen hebt er allerdings gleich wieder auf, weil sich die Technik laufend wiederholt. Oder klingt im seriellen Charakter dieser wie ausgewaschen wirkenden Regenbogenbilder doch etwas Rituelles an?

So ganz lässt es sich bei Braun nicht ermitteln. Es sei denn, man ist ähnlich referenzversessen wie der 1968 Geborene, kennt sich mit postkolonialen Diskursen ebenso aus wie mit alten, handwerklichen Techniken oder kulturellen Transfers. Doch auch wenn das Wissen des Künstlers, der erst in Braunschweig und dann an der Frankfurter Städelschule studiert hat, sich längst weit verzweigt, bleibt einem der intuitive Zugang. Denn Matti Braun inszeniert Atmosphären, wenn er wie 2003 Tonnen von Sand aus Namibia an den Strand einer finnischen Insel bringen lässt: wohin er geologisch gar nicht passt, aber eine Sehnsucht nach dem Exotischen stillt. Braun formt sorgfältig Oberflächen, löst Gefühle aus und rührt immer wieder an den Grenzen zum Design, damit der – mitunter ganz haptische – Umgang mit seinen Arbeiten einen reflexiven Prozess auszulösen vermag.

Zu den Zielen des Künstlers gehört ein Gespür seines Gegenübers für die ambivalenten Zusammenhänge der Gegenwart. Was passiert, wenn Traditionen diffundieren, Kulturen migrieren und ihre Adaption im produktiven Missverständnis mündet? Wird ein gefärbtes Textil an der Wand zur autonomen Kunst, bloß weil es dies behauptet? Und ändert sich die Wahrnehmung, wenn Teilnehmer eines wegweisenden politischen Treffens in jenem retro-futuristischen Mobiliar Platz nehmen müssen, das Braun 1999 für den G8-Gipfel in Köln ersonnen hat? Weiße Möbel aus Polyester, die den Fortschritt propagieren, obwohl sie schon wissen, dass er scheitern wird. Zumindest in ästhetischer Hinsicht.

Brauns Arbeit ist gefragt, die Liste institutioneller Ausstellungen lang, weil sie mit scheinbar leichter Hand Fotografie, Malerei und Installation zu Räumen fügen, die wie Archive funktionieren. Mindestens so wichtig ist dem Künstler jedoch die körperliche Erfahrbarkeit, die sich unwillkürlich überträgt – und die man auch nach dem Besuch der Ausstellung nicht vergisst. Christiane Meixner

Galerie Esther Schipper, Schöneberger Ufer 65; bis 17. April, Di–Sa 11–18 Uhr

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