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Kultur: Geschichte aus Glas - Baubeginn am Pariser Platz

Längst ist der Pariser Platz über die Grenzen Berlins hinaus zum Markenzeichen für kritische Rekonstruktion geworden. Mit dem geplanten Neubau der Akademie der Künste soll er jetzt ein gläsernes Korrektiv erhalten.

Längst ist der Pariser Platz über die Grenzen Berlins hinaus zum Markenzeichen für kritische Rekonstruktion geworden. Mit dem geplanten Neubau der Akademie der Künste soll er jetzt ein gläsernes Korrektiv erhalten. Am morgigen Sonntag wird endlich der Grundstein für den Bau gelegt: Damit endet eine der heftigsten Berliner Architekturkontroversen seit der Wende.

Architekt ist der 1922 geborene Günter Behnisch; zu dessen Hauptwerken zählen das Münchener Olympiastadion (zusammen mit Frei Otto) und der 1992 eingeweihte Plenarsaal des Deutschen Bundestags in Bonn. Beim Entwurf für die Akademie der Künste hat er nun mit dem Stuttgarter Architekturhistoriker Werner Durth zusammen gearbeitet. Die beiden gewannen den Wettbewerb für den Akademie-Neubau bereits 1994. Zwar stieß ihr Entwurf bei den Befürwortern einer historischen Rekonstruktion des Platzes auf Ablehnung, doch einer zügigen Umsetzung des Projektes schien zunächst nichts im Wege zu stehen. Im Januar 1996 erteilte der damalige Bausenator Wolfgang Nagel der Voranfrage der Akademie einen positiven Bescheid. Doch Nagels Amtsnachfolger Jürgen Klemann zog diesen Bescheid noch im März desselben Jahres zurück, der Behnisch-Entwurf drohte zu kippen. Es folgte eine jahrelange Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der gläsernen Architektur.

Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. Inmitten der steinernen Lochfassaden des Pariser Platzes wird die luftig transparente Architektur der Akademie künftig für eine wohltuende Abwechslung sorgen. Dabei versteht sich der Entwurf keineswegs als eine gläserne Provokation, die sich gegen eine kritische Rekonstruktion des Pariser Platzes stemmt. Das neue Gebäude nimmt vielmehr präzise Struktur und Abmessungen des alten Akademiegebäudes auf, das der Schinkelschüler Eduard Knoblauch (1801-1865) zwischen 1857 und 1858 als Palais für den Grafen von Arnim verwirklicht hatte. 1904 ging das Gebäude in den Besitz des Preußischen Staates über und diente ab 1907 als Sitz der Akademie der Künste. Damit es seiner neuen Funktion gerecht werden konnte, fügte ihm der königliche Hofbaurat Ernst von Ihne (1848-1917) neue Ausstellungsräume hinzu. In der Nazi-Zeit beanspruchte Albert Speer mit seiner Generalbauinspektion diese Hallen. Heute bilden sie zusammen mit dem Brandenburger Tor die einzigen baulichen Relikte am Pariser Platz, die die Zerstörungen von Krieg und Nachkriegszeit überstanden haben.

Der Neubau von Behnisch stülpt sich künftig wie eine gläserne Vitrine über die alten Ausstellungsräume, die aber durch die gläserne Fassade hindurch weiterhin vom Pariser Platz aus zu sehen sein werden. Dieser Fassade werden eine filigrane Gitterstruktur sowie zusätzliche Lamellen vorgeblendet, die die Fassadengliederung und die Fensteraufteilung des Gebäudes von Knoblauch in ein abstraktes Muster übersetzen und so die Erinnerung an den im Zweiten Weltkrieg zerstörten Vorgängerbau wachrufen.

Der neue Kopfbau der Akademie am Pariser Platz wird über vier Tiefgeschosse verfügen. Dort werden Archivräume untergebracht. Die fünf oberirdischen Geschosse bieten genügend Raum für ein Foyer, einen separaten Bereich für den Akademiepräsidenten und einen Versammlungsraum. Ähnlich dem Plenarsaal des Bundestags in Bonn und dem erst kürzlich mit einem Sonderpreis ausgezeichneten Behnisch-Entwurf für die Erweiterung des Bayerischen Landtages im Münchener Maximilianeum, erhält auch der neue Plenarsaal der Akademie einen kreisrunden Grundriss. Wie der Außenbau dürfte auch das Innere des Neubaus ein für den Architekten typischer Bau werden, mit einer charakteristisch dekonstruktivistischen Sprache: Die ineinander übergreifenden Ebenen, durch die die Stockwerke miteinander verschränkt werden, sorgen für einen höchst komplexen Raumeindruck.

Ein seitlicher Bürotrakt, der an die benachbarte DG-Bank von Frank Gehry anschließt, begrenzt den Hofraum mit den historischen Hallen, die künftig vom neuen Kopfbau aus erschlossen werden. Auf Höhe des zweiten Obergeschosses werden sie um einen offenen Skulpturengarten samt Tribüne für Open-Air-Veranstaltungen ergänzt. Der rückwärtige Gebäudeteil zur Behrenstraße steht der Akademie in Zukunft nicht zur Verfügung. Ursprünglich waren hier Archivräume für die Akademie vorgesehen. Doch angesichts der Finanznot des Senats musste der Grundstücksteil verkauft werden. Nun entsteht vis-a-vis des Geländes für das Holocaust-Denkmal das neue Konferenzzentrum des Hotels Adlon, dessen Fassadenentwurf ebenfalls von Behnisch stammt. Ein öffentlicher Durchgang soll dann eine Verbindung zwischen Pariser Platz und Behrenstraße ermöglichen.

Die besondere Qualität des Entwurfs von Behnisch und Durth weist jedoch über den Rahmen des Pariser Platzes hinaus. Auf vorbildliche Weise verbindet er die erhaltenen historischen Bestandteile der Akademie der Künste mit einer kreativen modernen Architektur, die zugleich an die verlorene Vorgängerbebauung erinnert. Solch kluge Synthese aus Alt und Neu besitzt Modellcharakter für Berlin.

Jürgen Tietz

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