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Kultur: Geschrumpft

Atlas vorgestellt: Projekt „Shrinking Cities“

Geschrumpft wird nicht nur in Ostdeutschland. Längst hat es sich herumgesprochen, dass das Problem der schrumpfenden Städte weltweit anzutreffen ist. Und manchmal auch ganz in der Nähe von Städten und Regionen, die nach wie vor explosionsartig wachsen. Einen Überblick über diese Entwicklung bietet jetzt der „Atlas der geschrumpften Städte“ (Hatje Cantz Verlag, dt./engl., 160 S., 39,80 €.), den das Projekt Shrinking Cities unter Leitung des Architekten Philipp Oswalt herausgegeben hat. Neben einem einführenden Blick auf historische Schrumpfungsszenarien liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung seit 1900.

Dabei wird deutlich, dass das Schrumpfen von Städten mehrere Ursachen hat, die eng miteinander verknüpft sind: Naturkatastrophen gehören ebenso dazu wie politische Veränderungen. So hat sich die Bewohnerzahl einiger russischer Städte in den Revolutionsjahren nach 1910 dramatisch reduziert, weil die Bevölkerung Zuflucht auf dem Land suchte. Zumeist sind es ökonomische Ursachen, die zu den Schrumpfungsbewegungen führen. Aufstieg und Fall der Städte hängen dabei eng miteinander zusammen. Dem Wachstum der europäischen Städte durch die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts folgte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Ende der Industrialisierung und der aufkommenden Automatisierung, fast zwangsläufig, ein Schrumpfungsprozess.

Wie eng Wachstum und Niedergang in einer Region beieinanderliegen können, zeigt das Beispiel Detroit. Während die Innenstadt brach liegt, steigt die Besiedelung des Umlandes ungebrochen an. Mit dem „Atlas der geschrumpften Städte“ steht anschauliches Material zur Verfügung, um das Phänomen auf seine unterschiedlichen Faktoren und Folgen hin zu untersuchen: von der Wasserknappheit über die Arbeitslosigkeit bis zur Suburbanisierung. Dabei helfen knappe Texte, die anhand von Einzelbeispielen jeweils die grafische Übersicht auf der Weltkarte vertiefen.

Dass die schrumpfenden Städte Teil des internationalen Stadtentwicklungsprozesses sind, soll auch auf der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig deutlich werden, die nächste Woche beginnt. Deren Kurator, der Brite Richard Burdett, legt zwar sein Hauptaugenmerk auf die Mega-Metropolen. Zugleich aber hat er das Projekt Shrinking Cities eingeladen, seine Forschungen der letzten drei Jahre im italienischen Pavillon einem größeren Publikum vorzustellen. Und auch sonst ist das internationale Interesse groß. So soll die Ausstellung Shrinking Cities in den kommenden Jahren in den USA, in Japan und in Russland gezeigt werden.

Jürgen Tietz

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