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Kaum eine Deutsche bezeichnet sich heute noch als "Hausfrau". Wo sind sie also hin? Machen alle deutschen Frauen jetzt Karriere?

© dpa

Gesellschaft: Die Hausfrau ist vom Aussterben bedroht

Bügeln, wischen, aufräumen: Dafür will keine Frau ihren Beruf aufgeben. Die Hausfrau stirbt aus. Da kann der Staat noch so mit Geld locken. Eine Zwischenbilanz – mit Blick in die Zukunft.

Gibt es noch Frauen, die sich freiwillig „Hausfrau“ nennen? Hausfrau, das ist das Wort, das eigentlich nur noch mit dem Zusatz „frustriert“ vorkommt. Oder in Dokusoaps auf RTL2, wenn eine 18-jährige, viel zu früh schwanger Gewordene vor die Kamera tritt. Da hilft es auch nichts, dass Hollywood-Schauspielerin Penelope Cruz in einem Interview sagte, wie erfüllend Kochen und Putzen für sie seien. „Ich bin eine Hausfrau, und das ist das Schönste auf der Welt für mich.“

Nicht einmal in den familienorientierten amerikanischen Fernsehserien ist die Welt noch in Ordnung. In den „Sopranos“ verfolgten wir, wie die Ehefrau des Mafiabosses zwischen Küche, Kindern und Kirche herumwuselte und von Staffel zu Staffel unglücklicher wurde. Carmela Sopranos Problem ist nicht, dass ihr Mann im Familienkombi Automatikwaffen hat oder das FBI ständig das geputzte Haus auf den Kopf stellt. Sie leidet darunter, „keine Aufgabe“ zu haben. Der Gangstergatte muss trösten: „Du hast zwei Kinder großgezogen und für ein schönes Heim gesorgt – ist das nichts?“

Ganz schlimm hat es Betty Draper, die Blondine aus dem Villenvorort in „Mad Men“. Dabei spielt die Serie über die New Yorker Werbebranche in den 60er Jahren, also in einer Zeit, als die Hausfrau das weibliche Rollenmodell schlechthin war. 1971 noch waren in Deutschland gut 55 Prozent aller Frauen zwischen 15 und 65 zu Hause. Hausfrau war gerade vom Bundessozialgericht als Beruf anerkannt worden, eine Ehefrau hatte das eingeklagt. Betty Draper hilft das alles nichts. Vom Dasein gelangweilt, vom Ehemann betrogen, besteht ihre einzige Freude an den Elektrogeräten, die den Hausfrauen von damals das Leben erleichtern sollten. Und so sehen wir Betty Draper, wie sie vormittags, wenn die Kinder in der Schule sind, an der vibrierenden Waschmaschine masturbiert.

Sommer 2012. Deutschland diskutiert, ob Frauen, die mit kleinen Kinder zu Hause bleiben, ein Betreuungsgeld erhalten sollen. Die einen nennen es „Erziehungsgehalt“, die anderen „Herdprämie“. Allerdings gibt es immer weniger Frauen, die überhaupt dafür infrage kommen. Die Hausfrau hat nicht nur als Role Model ausgedient, als Vorbild in der Gesellschaft, sieht man von Hera-Lind-Verfilmungen ab, in denen aus der Nur-Ehefrau ein Superweib wird, mit Veronica Ferres in der Hauptrolle. Die Hausfrau stirbt auch langsam, aber sicher aus.

Zum Beispiel Schweden, das Land der unbegrenzten Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Hier war die Journalistin Barbara Klingbacher unterwegs, „auf der Suche nach den letzten Hausfrauen“. Klingbacher suchte in der Stadt und auf dem Land, sie fand keine, obwohl es hieß, „dass noch einige tausend existieren“. Ein Bekannter von ihr sagte, er habe mal von einer Mutter gehört, die zu Hause geblieben sei. Die würde sich aber nie als „hemmafru“ bezeichnen. Eine Freundin mailte, sie kenne nur einen Hausmann, und der sei gerade „ein ehemaliger“.

Im Magazin „NZZ Folio“, Ausgabe „Die Hausfrau“, beschreibt Klingbacher, wie es dazu kam. Emanzipation und Elternzeit für Väter haben die schwedische Hausfrau überflüssig gemacht, die Steuergesetze taten ein Übriges. Normal verdienende Schwedinnen können es sich einfach nicht leisten, Hausfrau zu sein. Daran änderte auch ein Betreuungsgeld nichts, das die Konservativen vor drei Jahren eingeführt haben, etwa 400 Euro im Monat fürs Daheimbleiben. Gerade 1,8 Prozent der Frauen beantragten es. Die schwedische Version der Herdprämie wird demnächst wohl wieder abgeschafft.

Vier von zehn Frauen empfinden bei der Hausarbeit Freude.

Anruf beim Deutschen Hausfrauenbund in Bonn. Der nennt sich seit 2009 „DHB – Netzwerk Haushalt“, so wie man zur Hausfrau ja auch nicht mehr Hausfrau sagt, sondern „Facility Manager“. 50 000 Mitglieder hat der DHB, auf der Homepage zielt eine Frau mit einer Sprühflasche auf einen. Das passt zur Umfrage, die die britische Desinfektionsmittelfirma „Zoflora“ unter 2000 Frauen durchgeführt hat. Demnach empfinden angeblich vier von zehn Frauen bei der Hausarbeit „heimliche Freude“. Die liebsten Tätigkeiten sind: 1. Staubsaugen, 2. Aufräumen 3. Wischen. Ofenputzen und Bügeln stehen hingegen an letzter Stelle.

Am Telefon ist Elke Wieczorek, stellvertretende Präsidentin des DHB. Eine Frau mit fester Stimme, die Dinge sagt wie „Einwände wegwischen“ oder „Probleme ausbügeln“. Als Kind hat sie noch erlebt, dass Frauen vor einer Operation an der Gebärmutter ihren Ehemann um Erlaubnis bitten mussten. Wieczorek war Mitte der 80er Jahre Hausfrau. Ihr Mann war ständig im Ausland, sie blieb daheim bei den beiden Kindern. Die Zeit wolle sie dennoch nicht missen, sagt sie, sie habe sich weitergebildet, Sprachen gelernt.

VIDEO: Tagesspiegel-Redakteure für eine Frauenquote:

Und was macht eine Hausfrau heute aus? „Dass sie die Familie zusammenhält, ein Umfeld schafft, in dem jeder gerne ist.“ Was kein Hausfrauenideal mehr sei: dass man zu Hause vom Boden essen kann. Am schlimmsten findet es Wieczorek, wenn im Frühjahr die Boulevardzeitungen anrufen und Tipps zum Osterputz wollen. Das verenge das Bild der Hausfrau auf Staubsaugen und Wischen.

Doch selbst der Hausfrauenbund hat es mit immer weniger Hausfrauen zu tun. Die Zahl der nicht erwerbstätigen Frauen ist stetig zurückgegangen, auch wenn sie für die EU-Kommission noch immer zu hoch ist. „Ich kenne keine einzige junge Frau, die sich für das Hausfrauenleben entscheidet“, sagt die stellvertretende Präsidentin. Der Hausfrauenbund unterstütze das. „Frauen sollen sich absichern, nicht von ihren Männern abhängig sein“, so Frau Wieczorek aus Bonn.

Wo ist die deutsche Hausfrau nun hinverschwunden? Hat sie sich emanzipiert, macht sie Karriere? Die Wirklichkeit sieht anders aus. Beispiel geringfügige Beschäftigung: Der Bundesagentur für Arbeit zufolge sind 42 Prozent der Minijobber Hausfrauen. Und die machen in ihren schlecht bezahlten Teilzeitjobs wenig anderes als vorher. Häufigste geringfügige Beschäftigung von Hausfrauen: Putzen im Betrieb.

Viele berufstätige Hausfrauen von heute putzen also, genau wie die Vollzeit-Hausfrauen von einst. Nur dass für all die anderen Dinge keine Zeit mehr bleibe, wie Elke Wieczorek beklagt. Für Ehrenämter, Weiterbildung. Dem Betreuungsgeld steht sie zwar ambivalent gegenüber, aber sie will, dass sich Frauen entscheiden können. „Es gibt immer Situationen im Leben, in denen Frauen zu Hause bleiben müssen oder wollen.“

Warum Frauen noch immer nicht alles haben können.

Hilfe kommt vielleicht vom anderen Ende der Karriereleiter. Die Amerikanerin Anne-Marie Slaughter, Mutter von zwei Söhnen, leitete von 2009 bis 2011 den Planungsstab von Außenministerin Hillary Clinton, als erste Frau in dieser Position. Im Magazin „The Atlantic“ erzählt sie nun, was das heißt. Montagmorgen um halb fünf raus, den Zug nach Washington erwischen. Arbeitstage bis spät in die Nacht, Dienstreisen um die Welt. Freitags mit dem letzten Zug zurück zur Familie nach Princeton, wo die halbwüchsigen Söhne mit Schulproblemen kämpfen und von der Wochenend-Mom nichts mehr wissen wollen.

Den Müttern aus Slaughters Bekanntenkreis ging es nicht viel besser. Die Vize-Rektorin der renommierten St.-Andrews-Universität in Schottland hatte sich angewöhnt, in die Mikrowelle immer Zeiten wie 1:11, 2:22 oder 3:33 zu tippen. Das war schneller, als 1:00, 2:00 oder 3:00 zu drücken, jede Mikrosekunde ist kostbar. Slaughter selbst schmiss nach zwei Jahren in der Politik hin und kehrte zurück zu ihrem Lehrauftrag nach Princeton – und zu ihrem Mann und den Söhnen. Ihr Artikel trägt den Titel: „Why women still can’t have it all.“ Warum Frauen noch immer nicht alles haben können.

Slaughter bekam dafür einige Schelte. Sie entmutige Frauen, wolle zurück zur amerikanischen Soccer Mom, die nichts anderes tut als ihre Kinder zum Fußballtraining zu fahren. Mal abgesehen davon, dass Slaughter auch als Teilzeit-Hausfrau ein amerikanisch furchterregendes Arbeitspensum hat, an einer Spitzenuni lehrt, publiziert, Vorträge hält und im Fernsehen auftritt: Sie rät Frauen ja lediglich, hin und wieder Auszeiten von der Karriere zu nehmen. Der Familie Platz im Arbeitsleben einzuräumen und dem Arbeitsleben Platz in der Familie.

Was ist ein guter Vater?

Slaughters Fazit: „Ob man alles haben kann, hängt vom Job ab.“ Auch mal in Spitzenjobs von zu Hause arbeiten zu können, ob per Videokonferenz oder im Home Office, sei für Frauen der „Schlüssel, die volle Verantwortung zu tragen und die Kollegen nicht im Stich zu lassen“, schreibt sie. Nicht die Frauen sollen von der Arbeit zu Hause bleiben, die Arbeit soll nach Hause zu den Frauen kommen. Ein bisschen so, wie bei den Hausfrauen von früher, als das traute Heim ein Großbetrieb mit unzähligen Leuten war. In einem englischen Ratgeber aus dem 17. Jahrhundert lässt sich nachlesen, was alles dazugehörte: Kranke heilen, Feste organisieren, die Produktion von Milchprodukten, „Backen und Brauen“ nicht zu vergessen.

Leider sind für Slaughter die Männer nur Randfiguren: treusorgende Ehemänner oder fordernde Chefs. Dass viele von ihnen für moderne Arbeitsformen sind, auch mal Teilzeitjobs machen oder bei der Familie bleiben wollen, zieht Slaughter nicht in Betracht. Dabei sind selbst beim Deutschen Hausfrauenbund inzwischen fünf Prozent der Mitglieder Männer. Vor allem ältere, sagt Vizepräsidentin Wieczorek. Die wollen in der Rente nun kochen und putzen lernen, damit ihre Frauen mehr Zeit für sie haben. Die Hausfrauen von morgen – es werden vielleicht Männer sein.

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