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Kultur: Gesichter wie Landschaften

Vor vierzig Jahren kam Marwan, geboren in Damaskus, nach Berlin und studierte an der Hochschule für bildende Künste bei Hann Trier; seit gut zwanzig Jahren unterrichtet er selbst als Professor.Marwan gehört zu den Stillen im Berliner Kunstbetrieb, aber auch zu den Steten und Verläßlichen.

Vor vierzig Jahren kam Marwan, geboren in Damaskus, nach Berlin und studierte an der Hochschule für bildende Künste bei Hann Trier; seit gut zwanzig Jahren unterrichtet er selbst als Professor.Marwan gehört zu den Stillen im Berliner Kunstbetrieb, aber auch zu den Steten und Verläßlichen.Beharrlich arbeitet er an seinem Generalthema: dem Menschen, dem einzelnen Menschen.Jedoch nicht in seiner ganzen Gestalt.Bei ihm konzentriert sich alles auf den Kopf, genauer, das Gesicht.

Die ausgestellten großen Gemälde, schlicht "Kopf" genannt (48 000 DM bis 91 000 DM), werden fast ganz von einem Gesicht ausgefüllt, das vor unbestimmt-flächigem Hintergrund steht.Nicht sofort geben sich die Gesichter zu erkennen.Ein dichtes, aus der Nähe abstraktes Farbgerüst erschafft sie als eine ganz aus der Malerei geformte Erscheinung - im Hochformat gleichmäßig bis zu den Rändern ins Bildgeviert eingespannt, im Querformat seitlich von Freiflächen umgeben.

Marwans Köpfe - oder Gesichter - sind hoch und schlank, maskenartig.Sie erscheinen wie Bäumstämme.Augen, Nase, Mund und Falten wirken eingekerbt ins Antlitz und können erst allmählich herausgelesen werden.Gesichter voller Spuren und Fährten.Gesichter wie Landschaften, gebirgig, schroff und unzugänglich, verhangen.Schwermut herrscht, das Thema des Ecce homo, des verspotteten und malträtierten, des leidenden Menschen ist nicht fern.

Auch in den Aquarellen (bis 10 200 DM) kehren die Kopflandschaften wieder.Aus dem weißen Papiergrund bauen sich einzelne Gesichter auf, gelöster, freier, in helleren Mischfarben.Daneben stehen Radierungen (1800 DM und 2000 DM), in denen sich Physiognomisches ganz aus schwarzweißem Liniengeflecht bildet.Eindrucksvoll ist die auf einer Wand als Block gehängte, in einer Auflage von 18 Exemplaren gedruckte Folge von 99 kleinen Radierungen aus dem letzten Jahr (32 000 DM).

Zum Teil angeregt von Gedichtzeilen seines syrischen Landsmannes Adonis, ergibt sich hier ein ganze Fülle von Gesichtern in unterschiedlichster Ausprägung.Einzeln, doppelgesichtig, sich spiegelnd, wie in einem Filmstreifen übereinandergestellt, sich verflüchtigend.Radiert mit haarfeinem Strich oder - mit Hilfe von Aquatinta - malerisch breit geschwungen, aus Klecksen zusammengesetzt, wuchernd.Marwans Gesicher stellen keine Porträts dar, keine identifizierbaren Gesichter.Sie lassen sich nicht zuordnen.Es sind Selbstporträts und Menschheitsporträts in einem.

Raab Galerie, Potsdamer Straße 58, bis 22.Juni; Montag bis Freitag 10-19 Uhr, Sonnabend 10-16 Uhr.

MICHAEL NUNGESSER

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