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Kultur: Gespenster-Party

SCHREIBWAREN Steffen Richter weiß, was Sie letzten Sommer gemacht haben Amerika ist derzeit allerorten. Und manchmal trifft es Amerika dabei sogar verdammt gut.

SCHREIBWAREN

Steffen Richter weiß, was

Sie letzten Sommer gemacht haben

Amerika ist derzeit allerorten. Und manchmal trifft es Amerika dabei sogar verdammt gut. Zumindest mit Autoren vom Schlag eines Stewart O’Nan . „Vergiss die lange Gruselfilmnacht“, säuselt es gleich zu Beginn seines Romans „Halloween“ (Rowohlt), „das hier ist besser als Fernsehen.“ Ist es tatsächlich. Aber wer säuselt da? Die Toten! Vor einem Jahr lieferten sich fünf junge Leute eine mörderische Verfolgungsjagd mit der Polizei. Zwei von ihnen haben den Unfall überlebt. Die anderen drei kehren nun als Gespenster zurück. Und alles läuft auf eine Wiederholung der Ereignisse vom letzten Halloween hinaus. In „Night Country“, so der Originaltitel, gehen Tod und Leben nahtlos ineinander über. Heute kommt O’Nan ins Potsdamer Waschhaus (20 Uhr) und spricht mit Sigrid Löffler. Vermutlich über den Hang der Amerikaner zu großen Themen wie Schuld, Wahn und Sterblichkeit. Und über den „Halloween“-Kult, der als amerikanischer Kulturimport auch in Deutschland langsam Fuß fasst. Abschalten können Sie woanders.

Als US-Import könnte man auch William Moore bezeichnen. Die deutsch-pakistanische Jungschriftstellerin Sarah Khan hat den amerikanischen Stundenten in „Eine romantische Maßnahme“ (Eichborn Berlin) ins Heidelberg der Gegenwart expediert. Was schon Mark Twain auf seiner Europa-Tour 1878 misstrauisch beäugte – die studentischen Corps und ihre Trinkerfestspiele – gibt es auch noch bei Khan. Nur ist das Leben nicht mehr so „billig“ wie zu Twains Zeiten. William zumindest leidet notorisch unter Geldmangel. Deswegen nimmt er das Angebot an, bei den Vorbereitungen einer Auktion zu helfen. Mit Eva Brauns Silberlöffeln und Uhren von Leni Riefenstahl sollen alte NS-Reliquien unter den Hammer kommen. An Nazis ist William ohnehin interessiert. „Was sonst sollte einen an Deutschland interessieren?“ Hm. Das gestörte transatlantische Verhältnis kehrt also als eine etwas zu flott erzählte deutsch-amerikanische Liebesgeschichte wieder. Khans Buch hat am 5.2. im Buchhändlerkeller (21 Uhr, Carmerstr. 1) Premiere.

Ebenfalls am 5.2. liest der Brite Robert Harris bei Dussmann (18 Uhr, Friedrichstr. 90) aus seinem historischen Krimi „Pompeji“ (Heyne). Da wird der Wasserbaumeister Attilus aus Rom an den mondänen Ferienort am Golf von Neapel gesandt, um Unregelmäßigkeiten am großen Aquädukt zu überprüfen. Doch während sich die Anzeichen für kommendes Unheil häufen, feiert die zeitgenössische Schickeria ungerührt ihre Feste. Am 24. August 79 n. Chr. ist es so weit. Der Vesuv bricht aus und begräbt Tausende unter Lava und Asche. Der Clou besteht darin, dass sich im Römischen Imperium die heutige Weltmacht USA spiegeln und im Vulkanausbruch die Attentate des 11. September.

Bei so viel Amerika könnte man freilich das Nächstliegende übersehen, was jammerschade wäre. Christoph Neidhart nämlich hat mit „Das Meer in unserer Mitte“ (mare) eine Mentalitäts- und Kulturgeschichte des wiedervereinigten Ostseeraums geschrieben. Vier Jahrzehnte lang war an den Kreidefelsen von Rügen für Ostdeutsche die Welt zu Ende. Das kleine Meer im Norden war „Großgrenze, Aufmarschgebiet und potenzieller Kriegsschauplatz“. Nun ist der „eisige Vorhang“ geschmolzen, 1991 wurde zum „Jahr null der neuen Ostsee“. Und der Schweizer Journalist Neidhart war vor Ort. Seit Jahren gilt er als ausgewiesener Fachmann für das Baltikum, Russland und Skandinavien. Am 5.2. berichtet er bei Eggers & Landwehr (Rosa-Luxemburg-Str. 17) über sein Lieblingsgewässer (20 Uhr). Auch Freunde von Skurrilitäten dürften auf ihre Kosten kommen. Denn dass die Skandinavier das Thermometer, den Kachelofen und das Streichholz erfunden haben, mag noch einleuchten. Verwunderlicher ist schon, dass auch der Telefonhörer und die Melkmaschine aus der Gegend stammen, die Neidhart den „kleinen Bruder des Mittelmeers“ nennt.

Und was da gerade fiept, ist mein Handy der Marke Nokia. Wo werden die gemacht? Richtig, in einer ehemaligen Kabelfabrik in Helsinki.

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