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Schmitz

© dpa

Gespräch: Diven und Denkmäler

Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz über Orchesterprobleme, die Deutsche Oper und die Juryentscheidung zum Einheitsdenkmal.

Herr Schmitz, Kulturpolitik ist im Wesentlichen Personalpolitik, und da sieht es in Berlin nicht gut aus. Mit Ingo Metzmacher und Lothar Zagrosek verschwinden wichtige Dirigenten, und Donald Runnicles will mehr Geld, bevor er an der Deutschen Oper sein Amt als Generalmusikdirektor überhaupt angetreten hat. Ist da etwas faul im System?

Das sehe ich nicht so. Wenn Kulturpolitik im Wesentlichen Personalpolitik wäre, dann müsste man nur genügend Geld haben, um die richtigen Leute zu holen oder zu halten. So einfach ist es jedoch nicht. Und am Ende des Tages liegt jeder Fall anders. Wir haben mit Ulrich Khuon für das Deutsche Theater, Barrie Kosky für die Komische Oper und Donald Runnicles für die Deutsche Oper in kurzer Zeit hervorragende Leute nach Berlin geholt. Aber um auf Ihre Beispiele zu kommen: In der Tat sind wir zur Zeit sehr mit Personalien beschäftigt. Künstler sind hochsensible Persönlichkeiten, die empfindlich auf Begleitumstände reagieren. Im Großen und Ganzen ist die Musikstadt Berlin jedoch gut aufgestellt. Man muss das eine oder andere Problem jetzt nicht aufbauschen.

Noch sensibler als Dirigenten scheinen die Klangkörper zu sein. Lothar Zagrosek wurde vom Konzerthausorchester regelrecht abgewählt.

Die Diven sind nicht nur die Maestri, sondern auch die Orchestermusiker selber. Das ist ein sehr schwieriges Geschäft. Orchester sind hochkomplexe Gebilde. Und natürlich kann man einem Orchester keinen Dirigenten vor die Nase setzen, den es ablehnt. Aber es kann auch nicht sein, dass uns die Orchester mehr oder weniger deutlich vorschreiben, wer hier oder dort Generalmusiker wird. Wobei es dabei ja nicht nur um die Person, sondern auch um das Repertoire und damit um den kulturpolitischen Auftrag geht. Da muss man in Zukunft kulturpolitisch mehr Einfluss nehmen. Bei allem Selbstbewusstsein sollten Orchestermusiker nicht vergessen, in welchem gesellschaftlichen Umfeld sie agieren. Wir leben in finanziell sehr schwierigen Zeiten, nicht alle Bäume werden in den Himmel wachsen.

Ein Orchestermusiker hat einen Traumjob: gut bezahlt, krisensicher wie ein Beamter, schöne Nebenverdienstmöglichkeiten. Von Schauspielern oder gar Balletttänzern kann man das so nicht sagen.

Aus meiner eigenen Erfahrung an der Deutschen Oper kann ich bestätigen, dass das Selbstbewusstsein der Orchestermitglieder im Vergleich zu Sängern oder Tänzern am stärksten ausgeprägt ist. Die Ungerechtigkeiten in diesen großen künstlerischen Betrieben sind historisch gewachsen, da hat sich bisher auch keiner herangewagt.

Hat Runnicles Recht, wenn er mehr Geld für die Deutsche Oper fordert?

Das Geld reicht in der Kunst nie, wir kennen diese Begleitmusik. Donald Runnicles kämpft für sein Haus, darin unterstütze ich ihn auch. Die Deutsche Oper ist das größte Haus in Berlin, leider gibt es zwischen Staatsoper und Deutscher Oper ein ebenfalls historisch gewachsenes finanzielles Ungleichgewicht. Im Moment sehe ich jedoch realistischerweise keine Möglichkeit, den Etat der Deutschen Oper kurzfristig zu erhöhen.

Dazu müsste erst die Intendantenfrage geklärt sein. Wann entscheiden Sie, ob Kirsten Harms bleibt oder wer sie beerbt?

Der Vertrag von Kirsten Harms läuft bis 2011. Aber die Frage muss möglichst bald geklärt sein. Ich hatte immer gedacht, es sei viel schwieriger, eine Schauspielintendanz richtig zu besetzten, zumal in Berlin, als die einer Oper. Aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Der Markt geeigneter Persönlichkeiten für eine Opernintendanz ist doch sehr überschaubar.

Nicht nur Dirigenten, sondern auch Abgeordnete der rot-roten Senatskoalition gehen über Bord. Spüren Sie Auswirkungen?

Die Koalition steht bis 2011, davon bin ich überzeugt. Das kulturpolitische Handeln wird durch diese Vorgänge nicht beeinflusst.

Eines Ihres Lieblingsprojekte ist das Humboldt-Forum. Warum eigentlich interessiert sich sonst kaum ein Politiker für dieses Jahrhundertwerk?

Ich brenne für dieses Projekt. Wir sind jetzt gleichsam in den Niederungen angekommen: Der Bundestagsbeschluss steht, der Palast der Republik ist abgerissen, es beginnen in Bälde die Baumaßnahmen für den Aufbau des Schlosses, und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz arbeitet an einem inhaltlichen Konzept, das uns alle begeistern wird. Ich bedauere allerdings, dass das Humboldt-Forum kein großes gesellschaftliches Thema ist. Aber der Berliner ist leider manchmal schwer zu begeistern. Möglicherweise fürchtet sich der eine oder andere Politiker vor der Architekturdebatte um das Schloss, die nach wie vor die tolle Konzeption des Humboldt-Forums überlagert. Das ist jetzt die gigantische Herausforderung, die sich dem siegreichen Architekten Franco Stella stellt: Innen und Außen müssen zusammenpassen, damit es kein Walt-Disney-Schloss wird.

Sie waren nicht nur in der Schloss-Jury, sondern auch Juror beim sogenannten Einheitsdenkmal. Auch da gibt es einen rumpeligen Bundestagsbeschluss, der im Grunde überhaupt nicht umzusetzen ist. Sonst hätte die Jury nicht das Handtuch geworfen.

Auch wenn einige Jurymitglieder es jetzt anders darstellen – wir waren beim Einheitsdenkmal einstimmig dagegen, irgendeinen der Entwürfe weiterzuempfehlen, weil kein Entwurf der Aufgabenstellung gerecht wurde. Es könnte auch durchaus sein, dass diese Aufgabenstellung für ein Nationaldenkmal uns im 21. Jahrhundert überfordert – gleichsam einen Bogen von der Varusschlacht bis zur Wiedervereinigung innerhalb des europäischen Kontexts unter besonderer Berücksichtigung von Leipzig zu schlagen. Das mag etwas weit und hoch gegriffen sein. In jedem Fall bleibt jedoch die Freude über die Wiedervereinigung. Aber ob man dafür ein Denkmal braucht, ob man es an dieser Stelle vor dem Schloss braucht, das sei dahingestellt. Manchmal ist weniger auch mehr.

Ist nicht Berlin, die Hauptstadt selbst, mit Museumsinsel und dem Humboldt-Forum eines Tages das größtmögliche Denkmal der Wiedervereinigung – und obendrein ein ziemlich gut gelungenes?

Absolut. Als Patriot und begeisterter Berliner bin ich überzeugt: Es gibt kein schöneres Denkmal als das offene Brandenburger Tor, als das gelungene Zusammenwachsen von Ost und West in einem weltoffenen, demokratischen Geist. Wer hätte das vor zwanzig Jahren, als die Mauer fiel, so für möglich gehalten! Dafür brauche ich persönlich kein weiteres Denkmal.

- Das Gespräch führte Rüdiger Schaper.

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