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Geständnis: Debatte um Grass hält an

Nobelpreisträger Günter Grass rechnet nach seinem Bekenntnis zu seiner Vergangenheit in der Waffen-SS mit schweren Zeiten. Trotzdem verkaufte sich die Startauflage von 150.000 Ausgaben seines Buches komplett.

Berlin - "Ich muss dazu stehen und mir noch lange diese Vorwürfe anhören", sagte der Schriftsteller in einem am Dienstagabend ausgestrahlten ARD-Interview. Historiker und Schriftsteller nahmen Grass derweil weiter in Schutz. Beim Internethändler Amazon kletterte sein Erinnerungsbuch "Beim Häuten der Zwiebel" auf Platz eins der Vorbestellungen.

Grass sagte, er sei erst jetzt in der Lage gewesen, sich so zu seiner Vergangenheit zu äußern. "Wer richten will, mag richten", fügte er hinzu. Sein Lebensweg nach dem Zweiten Weltkrieg werde in Frage gestellt. Dieses Leben sei jedoch auch von Scham über seine Vergangenheit geprägt gewesen. Ausführlicher wollte sich Grass nicht äußern und verwies auf sein im September erscheinendes Buch.

"In privaten Kreisen davon erzählt"

Der österreichische Schriftsteller Robert Schindel bekräftigte, Grass habe schon vor mehr als 20 Jahren von seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS berichtet. "Ich habe inzwischen erfahren, dass auch Peter Turrini seit 20 Jahren davon weiß. Grass hat wahrscheinlich öfter in privaten Kreisen davon erzählt", sagte Schindel. Es müsse jeder in seiner Biografie selbst bestimmen dürfen, wann er bestimmte Dinge preisgeben wolle. "Das kann ihm doch keiner vorschreiben, das ist doch eine Anmaßung", betonte er.

Der Historiker Hans Mommsen nannte die Kritik an Grass "scheinheilig". Da die Einberufung zur Waffen-SS im Spätsommer 1944 in dieser Phase des Krieges nichts Ungewöhnliches gewesen sei, sei die öffentliche Erregung über Grass "unangebracht". Grass vorzuwerfen, dass er sein Geständnis nicht früher abgelegt habe, sei "absurd". "Das öffentliche Geheul wäre um keinen Grad geringer und vermutlich um ein Vielfaches stärker gewesen."

Kein Vorbild mehr für die jüngere Generation

Der Autor Florian Illies ("Generation Golf") sagte, für seine Generation sei Grass ohnehin keine moralische Instanz mehr gewesen: "Für mich war er eine unglaubliche Nervensäge."

Der Chefredakteur des Fachmagazins "Börsenblatt", Torsten Casimir, erwartet derweil, dass "Beim Häuten der Zwiebel" für Autor und Verlag ein großer kommerzieller Erfolg wird. Nach seinen Informationen sei die Startauflage von 150.000 Exemplaren bereits abverkauft. Zurzeit seien weitere 100.000 Stück im Druck.

Grass hatte in der vergangenen Woche offenbart, dass er im Zweiten Weltkrieg als Jugendlicher Mitglied der Waffen-SS war. Seitdem reißen die Reaktionen, die von Empörung bis Unterstützung reichen, nicht ab. Dabei waren auch Vorwürfe laut geworden, Grass' spätes Bekenntnis sei gezielte Werbung für sein neues Buch. (tso/ddp)

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