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Kultur: Gesucht: das Original

Ein Tisch mit einer Milchflasche darauf, ein Stuhl, auf dem ein dem Publikum den Rücken kehrender schlanker Mann sitzt, sonst nichts.Weniger ein Bühneninterieur als ein suggestiv ausgeleuchtetes Bild.

Ein Tisch mit einer Milchflasche darauf, ein Stuhl, auf dem ein dem Publikum den Rücken kehrender schlanker Mann sitzt, sonst nichts.Weniger ein Bühneninterieur als ein suggestiv ausgeleuchtetes Bild."Ich zeichne Bilder, keine Bedeutungen", wird der Mann in schwarzem Anzug und schwarzem T-Shirt im Laufe seines neunzigminütigen (englischsprachigen) Monologs im Hebbel-Theater sagen, und: "Ich bin kein Philosoph, ich bin ein Künstler.Ich muß nicht verstehen, was ich tue." Unsicheres Lachen.Unendlich langsames, theatralisch inszeniertes Einschenken eines Glases Milch.Bob alias Robert Wilson spricht über seine Kunst und führt sie zugleich in dem ihr eigenen Medium, dem Theater, aus.

Der New Yorker Regisseurin Anne Bogart gelang in ihrer jüngsten Produktion die Verschmelzung der Interview-Texte Wilsons, aus denen Jocelyn Clarke ein nicht immer dichtes Skript destillierte, mit ihrem Gegenstand: Theater und Rede über das Theater werden eins.Daß dies nicht in blutleerem Manierismus endet, verdankt die Inszenierung Will Bond, der der Figur des Bob künstlerisch überhöhte Präsenz, aber auch von Ticks bestimmte menschliche Schwäche verleiht.Die Arroganz des weltweit gefragten Regisseurs kommt ebenso zum Ausdruck wie seine Einsamkeit in anonymen Hotelzimmern und die Isolation des in wilder Hast hin- und herreisenden Workoholic, der sich nach der Anerkennung durch den Vater sehnt.Nur selten erreicht Bond jedoch jene choreographische Intensität, die die Arbeiten Wilsons auszeichnet.So bewahrt er zwar die Person Bob vor der künstlichen Verschmelzung mit ihren Bühnengestalten, doch wirken auf diese Weise die hier zitierten, für Wilsons Inszenierungen charakteristischen Elemente wie Schattenspiel, abstrakte Handbewegungen, Spiel mit dem Rücken zum Publikum, Synchronisation von Geste, Licht- und Klangwechsel (für die grobe "Soundscape" zeichnete Darron L.West verantwortlich), merkwürdig schwach.Vielleicht hätte Bogart mehr auf die Suggestionskraft der Textmontage vertrauen sollen.Die Kopie von Wilsons Inszenierungsstil muß mißlingen, wo sie nicht nur illustrativ eingesetzt wird.So bleibt leider der Wunsch nach dem Original.

Noch einmal heute, 20 Uhr

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