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Kultur: Gesundbrunnen-Bunker: Hinter Druckwellenbrechern

Dass der Bunker noch steht, hat er der U-Bahn zu verdanken. Die Berliner Untergrundbahn hat dem Schutzraum unter dem Weddinger Blochplatz das Leben gerettet.

Dass der Bunker noch steht, hat er der U-Bahn zu verdanken. Die Berliner Untergrundbahn hat dem Schutzraum unter dem Weddinger Blochplatz das Leben gerettet. Denn bei einer Sprengung der massiven unterirdischen Anlage wäre der Bahnhof Gesundbrunnen in unmittelbarer Nähe mit in die Luft geflogen. Das wollte nach dem Krieg keiner.

Deshalb konnte aus dem Weltkriegsbunker ein Atomschutzbunker werden. 1300 Menschen hätten hier im Falle eines Atomschlags zwei Wochen lang Schutz finden können, bevor ihre Vorräte aufgebraucht gewesen wären und sie wieder zurück an die Weddinger Oberfläche hätten steigen müssen. Sie wären dort gestorben, vermutlich nicht sofort, aber dennoch schneller als vorgesehen. Wäre ja alles verstrahlt gewesen im Wedding.

Er rettet vor den Bomben, wenn sie explodieren, ob konventioneller Bauart oder mit Nuklearsprengstoff. Und doch sind es zwei komplett verschiedene Arten des Schutzfindens in einem Bunker im Kriegsdeutschland der vierziger Jahre und dem dreißig Jahre später. Weil die Aussichten komplett gegensätzlich sind nach TNT-Explosionen mit anschließendem Feuersturm und denen nach einem Atombombeneinschlag. Das Leben geht weiter, und wenn auch nur bis zur nächsten Sirene, ist die Bunkerbotschaft im konventionell geführten Weltkrieg gewesen; die aus den Atombunkern: Das Leben geht zu Ende. Die Tage, die man unter der Erde zubringt, werden die letzten in Gesundheit sein.

Dass jetzt eine Kunstausstellung, die sich den Tod zum Thema macht, ausgerechnet hinter den Betonmauern unterm Gesundbrunnen stattfindet, ist nicht geplant gewesen, sagt Nina Römer. Um so mehr freut sie sich über die Idee, denn der Bunker kostet keine Miete und er ist ein sehr passender Ort. Die Assoziationen stellen sich schon beim Hinuntersteigen ein. Römer ist die Organisatorin der Ausstellung und sie hat es geschafft, 92 internationale Künstler dazu zu überreden, nach Berlin zu kommen.

Weißgestrichen ist der etwa 15 Meter unter der Erde liegende Beton, überall ist Staub zu sehen. Wie kommt der hierher, die Türen sind doch dicht, oder? Es gibt eine Lüftung, sagt Römer. Die tut ihr bestes, in der Südwestecke schafft sie es dennoch nicht, den süßen Gestank aus der Luft zu saugen. Hier liegt Waldboden, Mulch, darauf ein Dutzend Plastik-Riesenherzen. Zur Eröffnung ist der Geruch noch penetranter und wird mit Parfum bekämpft. Im Nordwesten knallt der Besucher-Kopf gegen Strumpfhosen voller Eintagsfliegen-Maden, die von der Decke hängen. Zwei Wochen werden die alt, dann werden sie Fliegen, einen Tag lang, um am Abend tot auf den Boden zu fallen. Am anderen Ende, wieder im Eckraum, liegen zehn Kohlensäcke auf dem Boden, durch das Sackleinen sind die Konturen von Kinderkörpern zu erkennen.

Warum sie sich für das Thema entschieden haben? "Wir haben nachgedacht", sagt Römer, "wie wir unsere zweite Großausstellung klarer gestalten könnten. Sollten wir uns auf ein Format beschränken oder ein Thema festlegen? Da kamen wir auf den Tod", sagt sie, "vielleicht hat auch die Körperwelten-Ausstellung eine Rolle gespielt, die gerade bei uns in Köln lief. Und der Tod ist doch ein gutes Thema, der interessiert doch jeden."

Nicht nur sein Weiterleben, auch die Existenz des Bunkers überhaupt hat mit der U-Bahn zu tun. 1928 wurde der Bahnhof Gesundbrunnen als Endbahnhof der Gesundbrunnen-Neuköllner Untergrundbahn gebaut, man brauchte dort Abstellgleise für Züge und Werkstätten unter dem Blochplatz. Später wurden seine Wände und Decken verstärkt, die Firma AEG sollte hier Kriegsgerät produzieren. Ein Segen für die heutige Ausstellung, denn in die Bunker-Gänge wurden Querwände eingebaut, um Druckwellen bei möglichen Explosionen die Gewalt zu nehmen. So ist ein Labyrinth mit Dutzenden Abteilen entstanden. Der Blick endet an der nächsten Wand, und die ist höchstens fünf Meter entfernt.

Allein ist man ständig hier unten, aber nicht aus der Welt. Die Mobiltelefone funktionieren.

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