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Kultur: Geteiltes Land, zerrissene Familie

FORUM Die Südkoreanerin Yang Yong-hi filmt ihre nordkoreanische Nichte: „Sona, the Other Myself“

Sona singt ein Lied auf den Großen Führer, dann sagt sie zur Tante „I love you“. Sona aus Nordkorea hat etwas, was andere nordkoreanische Kinder nicht haben: eine Tante in Japan, die ihr Mickymaus-Strümpfe nach Pjöngjang mitbringt – die Regisseurin Yang Yong-hi.

Seit 1995 filmt Yang Yong-hi, wenn sie die Familien ihrer Brüder in Nordkorea besucht. Ihr Vater träumte als südkoreanischer Emigrant in Japan von einem vereinigten kommunistischen Korea und schickte seine Söhne in den Norden. Ein patriotisches Opfer; davon erzählt „Dear Pyongyang“, der 2006 im Forum lief. Seit diesem Film darf die Regisseurin nicht mehr nach Nordkorea, niemand mehr kommt mit einer Kamera über die Grenze. „Sona, the Other Myself“ hat Yang Yong-hi nun aus dem alten Material montiert, mit Erlaubnis von Sonas Eltern.

Die dreijährige Sona, die bei Familienfesten herumalbert. Sona, die fröhlich einen Stromausfall kommentiert. Sona, die hilflos die Speisekarte im Devisen-Restaurant studiert, weil sie nicht weiß, was Pizza ist. Einmal im Jahr bekommt sie ein Eis, beim Ausflug zu den Propagandashows im Musicaltheater der Hauptstadt. Als 12- oder 13-Jährige fragt sie nach den Musicals, die die Tante kennt, um zu sagen: „Ich weiß nicht, wovon du sprichst, aber es ist besser, als von all dem gar nichts zu wissen.“ Es gibt kein Bild von dieser Szene, aber es gibt den Dialog aus dem Off und eine schwarze Leinwand dazu.

„Ich bin erschrocken, als ich merkte, das ist mein Alter ego“, sagt die 45-jährige Regisseurin im Gespräch. Auch sie wurde streng nordkoreanisch erzogen – in Japan. Sie sei hin- und hergerissen gewesen, zwischen dem Versuch, die Wünsche der kommunistischen Eltern zu erfüllen, und der Sehnsucht nach Freiheit, Konsum, westlicher Kultur. Aber sie konnte studieren, als Reporterin durch Asien reisen. „Ich hatte die Wahl. Sona hat sie nicht.“

Verwackelte Videobilder, eine lückenhafte Biografie, ein Off-Kommentar, der ergänzt, was im On zwangsläufig fehlt: Es ist ein gerade in seiner Unvollkommenheit bewegender Film. Man ahnt etwas vom nordkoreanischen Alltag in einem die eigene Bevölkerung in Armut haltenden Land. Davon, dass die Regierung sich bedroht fühlt, bloß weil auf der Leinwand Individuen zu sehen sind, Menschen mit Gefühlen und Ideen. Man sieht die Großmutter in Japan, die Care-Pakete schickt, begreift die Tragödien eines geteilten Landes. „Das Berlinale-Publikum hat das 2006 gut verstanden“, erinnert sich die Regisseurin. Geteilte Familien, gemeinsame Geschichte.

Yang Yong-hi hofft, dass die inzwischen 17-jährige Nichte sie später nicht hassen wird wegen des Films. Über Nordkorea macht sie sich keine Illusionen. „Viele junge Leute dort wissen, wie isoliert sie sind, und sie sind es leid. Aber Nordkorea hat bisher noch jede Gelegenheit genutzt, um Verhandlungen zu blockieren.“

Heute 12.30 Uhr und 20. 2., 15 Uhr (Cubix 7), 14. 2., 17.30 Uhr (Arsenal 1)

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