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Kultur: Gewissheit und Zeitlosigkeit

KINO

Julien sammelt Schmetterlinge. Tote und lebendige. Sie hängen aufgespießt an den Wänden seiner Wohnung, oder sie flattern durch seinen Wintergarten. Juliens Ruhe wird gestört, als die achtjährige Elsa seine Wohnung betritt. Sie lässt die Tür zum Wintergarten offen, und schon flattern die Schmetterlinge durch die Zimmer.

Die Nähe zwischen sehr alt und ziemlich jung ist ein bekanntes Motiv im Kino – von „Harold and Maude“ bis „Central Station“. Bedächtig und fast respektvoll umkreist Philippe Muyls Film Der Schmetterling Juliens Vorgeschichte und Elsas desaströse Familiensituation. Beide sind auf der Suche nach Liebe. Der alte Mann (überzeugend eigenbrötlerisch: Michel Serrault) hat den Glauben daran schon fast aufgeben. Er macht sich auf den Weg ins Gebirge, um einen seltenen Schmetterling namens Isabelle zu fangen. Die aufsässige Elsa, gespielt von der neunjährigen Claire Bounaich, will unbedingt einmal die Berge sehen und hat sich in sein Auto geschmuggelt. Die Mutter des Mädchens ist nicht zu erreichen. Also bleibt Julien nichts anderes übrig, als die Kleine mitzunehmen.

Auf ihren Wegen durchs Gebirge fragt Elsa Julien über Liebe und Gerechtigkeit aus. Julien antwortet bewusst ungenau. Doch das Mädchen versteht mehr vom Leben, als der alte Mann vermutet hätte. Julien kann sich vor einer Konfrontation mit den Leerstellen und Brüchen in seiner Biografie nicht mehr drücken. Im Gespräch mit dem Kind bricht er seinen aus Erinnerungen und Verlust gesponnenen Kokon auf.

Philippe Muyls Drehbuch verhindert geschickt, dass die Unterhaltungen in küchenphilosophische Abhandlungen abgleiten. Wenn der Weltschmerz überhand nimmt, wird Elsas Aufmerksamkeit abgelenkt. Mal ist sie müde und möchte doch wieder nach Hause, mal hat sie keine Lust, ihre Kartoffeln aufzuessen. Und irgendwann beobachtet Julien mit Elsa die Entpuppung der seltenen Isabelle. Statt den Schmetterling gleich aufzuspießen.

Michaela Soyer

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