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Kultur: Gewitterstimmung

Jörg Isringhaus’ Nazikrimi „Unter Mördern“

Der Mann hat Mut. In seinem ersten Roman schreibt Jörg Isringhaus keinem Geringeren als Hermann Göring eine Hauptrolle auf den prallen Leib. Göring und ein schwedischer Geschäftsmann namens Birger Dahlerus erleben die letzten Tage vor dem deutschen Angriff auf Polen am 1. September 1939. Dahlerus, ein Mann mit internationalen Kontakten, will den Krieg verhindern, als diplomatischer Unterhändler, getrieben von der Kraft wachsender Verzweiflung. Hermann Göring lässt sich darauf scheinbar ein, benutzt den schwedischen Pazifisten aber, um in der Krise seine Macht in Hitlers Regime noch auszuweiten.

Das allein wäre eine spannende Geschichte – für Liebhaber historischer Romane, die den widerwärtig-charmanten Göring in realitätsnaher Aktion erleben wollen. Doch „Unter Mördern“ ist mehr als eine Geschichte, die ihre Spannung aus der gewittrigen Atmosphäre des August 1939 bezieht. Gleichzeitig mit Birger Dahlerus, im selben Flugzeug, ist ein Mann nach Berlin gekommen, den die schwarze Rachsucht treibt – nur auf den ersten Blick der charakterliche Widerpart zu Dahlerus. Richard Krauss heißt er und war mal Teil der romantisch-brutalistischen Bewegung junger Männer, die Rache für Versailles und den Untergang des Deutschen Reiches nehmen und Hitler dabei helfen wollten. Eine Frau hat ihn von der Bewegung weggebracht, der Männerbund hat ihm diese Frau genommen, und nun sucht Richard Krauss unter dem spätsommerlich-schweren Himmel über Berlin und der Mark die Verantwortlichen für sein Unglück.

Das ist noch nicht alles, was Isringhaus seinen Protagonisten an Geschichte aufgeladen hat. Und wenn der Hauptdarsteller Krauss auch ein wenig zu kantig geraten ist – der Spannung seiner Geschichte im NS-beherrschten Deutschland kann man sich nicht entziehen. Dahlerus Mission kann, man weiß es, so wenig zu einem guten Ende kommen wie der Feldzug seines charakterlichen Gegenstücks. Als Leser ist man sich bewusst, dass es kein gutes Ende nehmen kann. Doch gelingt es Jörg Isringhaus, spannend vom Scheitern und Verzweifeln seiner Helden zu erzählen. Und immerhin erlebt Richard Krauss, dass der Himmel zwischen zwei Gewitterwolken leuchten kann.

Jörg Isringhaus:

Unter Mördern.

Roman. Rütten und Loening, Berlin 2010. 389 Seiten, 19,95 €.

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