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Kultur: Giftige Gewässer

Die Galerie Jiri Svestka zeigt in ihrer Berliner Dependance Malerei von Veronika Holcova

Der Auftritt war kurz und kraftvoll. Mit der jungen, rumänischen Konzeptkünstlerin Ioana Nemes eröffnete Jiri Svestka im vergangenen Herbst seine Galerie. Nun sind die Räume in der Zimmerstraße verwaist, und mancher mag sich fragen, ob der Auftritt des wichtigsten tschechischen Galeristen für zeitgenössische Kunst in Berlin ein bloßes Intermezzo war. Doch Svestka, der in Prag seit 1995 internationale Künstler wie Dan Graham und Tony Cragg vertritt und durch aktuelle Positionen etwa von Rafal Bujnowski oder Clare Woods ergänzt, macht gleich um die Ecke weiter. Das Vorderhaus des Galeriequartiers wurde für einen Umbau entmietet, und Svestka ist aus dem Ladenlokal, in dem zuvor Max Hetzler saß, in den zweiten Stock im Hof dahinter gezogen. Wieder an einen Ort mit Geschichte: Dies waren die früheren Räume der Galerie Volker Diehl.

Svestka führt im neuen Domizil konsequent fort, was er ebenerdig begonnen hat. Klassiker aus seinem Programm wechseln mit Positionen, die es noch zu entdecken gilt. Dazu gehört die tschechische Malerin Veronika Holcova, deren Formate (4000-22 000 Euro) die imposante Architektur spielend füllen. Denn auf den großen Bildern leuchten die Farben, drängen in alle Richtungen und füllen sogar das Weiß der Wände. Jede Arbeit braucht Platz, um wirken zu können. Genau wie Holcovas Serie von lebensgroßen Gestalten, die nackt und haarig durch abstrakte Landschaften stapfen: urzeitliche Vorläufer des Menschen auf der Suche nach Feuer, dem Ende der Welt hinterm Horizont oder einem Gesinnungsgenossen.

Dass nicht jeder mit diesen klar konturierten Geschöpfen zurechtkommt, weiß Jiri Svestka. Zweimal schon hat er die Arbeiten der 1973 geborenen Malerin in seinen Prager Räumen vorgestellt. Und obwohl sich Holcovas Themen vielfach eng an die tschechische Geschichte lehnen und sie mit der surrealistischen Malerin Toyen und Jindrich Stirsky zwei Künstler ihres Landes als Fixpunkte benennt, tun sich die Prager Sammler bislang schwer. „Zur Zeit interessiert sich die tschechische Kunstszene mehr für andere Medien wie Installation und Konzeptkunst“, meint Veronika Holcova. Die Malerei, so empfindet sie es, bleibe eher im Hintergrund, das Bild an der Wand werde als antiquiert wahrgenommen: „Es macht mir aber Spaß, dem zu trotzen.“

Tatsächlich stören die Figuren der Malerin den Ästhetizismus ihrer ansonsten reinen Malerei, die sich auf der Leinwand ausbreitet. Manche wirken geradezu konträr – als seien sie aus fremden, naiven Bildern in jene magisch zeitlosen, schillernden Landschaften geklettert, wie sie typisch für Veronika Holcova sind – und wie man sie von Peter Doig oder Daniel Richter kennt.

Dieses Blasige, Nässende, Irrlichternde der Farben, die feine Schleier und Pfützen bilden, aber nie völlig zu trocknen scheinen: Die Künstlerin kennt sich aus mit den Methoden der etablierten Kollegen und treibt das Spiel fort, indem sie Öl- und Acrylfarben nutzt, die sich mal abstoßen und mal miteinander vermischen. Doch scheinen ihre Landschaften weniger toxisch als Doigs mörderische Sümpfe, und das seltsam Ephemere an Richters Sujets interessiert sie nicht. Wo immer in der Ausstellung ein flüssiges Blau, feuriges Rot oder das satte Grün der idealen Landschaft auftaucht, stimmen Farbe und Motiv inhaltlich überein. Veronika Holcova beschreibt in ihren Bildern das Elementare – den Ozean, schweflige Lava oder die lauernden Augen eines Wolfs im Gebüsch. Den Menschen und seine Vorfahren stellt sie lesend, sinnend oder suchend mitten hinein. Auf dass er überlebt oder untergeht.

Die Malerei – ein Abenteuer voller Gefahr. Diese Erfahrung muss auch der „Sucher“ (2010) machen, den Holcova auf einer feurigen Insel ansiedelt, die sich bei näherer Betrachtung als reine Farbwolke entpuppt. Der kleine Mann im historischen Gewand kann jederzeit kentern. Als Figur definiert er jedoch zugleich die abstrakte Komposition um sich herum: Die Farbstreifen liest man unvermittelt als Landschaft mit Horizont, der einsame Wanderer erinnert an die zutiefst romantischen Motive eines Caspar David Friedrich. Obwohl Veronika Holcova ihre Leinwände ohne jede vorbereitende Skizze meist auf dem Boden bearbeitet und erst später entscheidet, wo und in welcher Größe sie ihre Figuren platziert. „Ich bemühe mich, das Bild an der Grenze von illusionärem Realismus, Gewirr und Flecken zu halten“, meint die Künstlerin. Diese Balance, die Schönheit der lodernden Farben und das Unzeitgemäße ihrer Figuren, begründet die Anziehungskraft ihrer Arbeit.

Galerie Jiri Svestka, Zimmerstr. 88/89; bis 1.4., Di-Sa 11-18 Uhr.

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