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Gijs Leenaars.

© dpa

Gijs Leenaars übernimmt den Rundfunkchor Berlin: Jung, bodenständig, Holländer

Gijs Leenaars ist der neue Chefdirigent des Rundfunkchores Berlin. Ein Porträt.

Es ist ein Sprung nach unten. Das klingt jetzt negativer, als es gemeint ist. Denn was sinkt, ist das Alter. Jahrgang 1978 ist Gijs Leenaars, der neue Chefdirigent des Rundfunkchores Berlin, der sich am Dienstag vorstellte. Also 20 Jahre jünger als sein Vorgänger Simon Halsey, der im Sommer 2015 aufhört. Ein Wagnis? Das sind solche Stabwechsel immer. Aber Leenaars kommt mit besten Referenzen. Der Niederländer hat Klavier, Chor- und Orchesterdirigieren in Nijmegen und Amsterdam studiert, seit 2012 leitet er den Chor des Niederländischen Rundfunks (Groet Omroepkoor) in Hilversum, einer der wenigen professionellen Rundfunkchöre in Europa. Vor zehn Jahren war er dort Assistent von – genau! – Halsey, der den Hilversumer Chor damals leitete.

Jetzt sitzt Leenaars neben Halsey im Restaurant Borchardt, während Chorvorstand Nora von Billerbeck seine „mutige Direktheit“ und seinen „schönen, intelligenten Humor“ lobt. Tatsächlich wirkt der Neue keine Spur aufgeregt ob der riesigen Aufgabe, die ihm zufällt. Halsey hat den Rundfunkchor in 14-jähriger akribischer Arbeit zu neuen Höhen geführt. Das Ensemble zählt heute zu den besten der Welt und war gerade erst in London, Luzern und New York auf Tournee. Darüber hinaus hat Halsey das Spektrum für Chormusik enorm verbreitert. Dass der Chor heute mit Dirigenten wie Daniel Barenboim, Simon Rattle oder Marek Janowski zusammenarbeitet, ist sein Verdienst. Er hat viel dafür getan, dem Chor neue Publikumsschichten zu erschließen, vor allem Kinder und Schüler.

Das Niveau muss Leenaars halten, mit eigenem Profil. Kürzlich hat das Ensemble gestreikt, es gärt hinter den Kulissen bei tarifrechtlichen Fragen. Der erste Eindruck in Berlin? Man möchte Leenaars gerne zutrauen, all das zu meistern. Bodenständig wirkt er, nüchtern, ganz bei sich, alles Prätentiöse scheint ihm fremd zu sein. Er spricht gerne von seiner Arbeit und kommt ohne die barocke Gestik aus, die die Ausführungen seines Vorgängers so unverwechselbar gemacht hat.

Welche neuen Formate er plant, kann Gijs Leenaars noch nicht sagen, mehr Zeitgenössisches soll dabei sein. Im Januar wird er Brahms’ „Deutsches Requiem“ mit dem Chor einstudieren. Das erste Konzert mit ihm als Chefdirigent wird beim Musikfest Ende August stattfinden. Während Halsey nach 14 Jahren seine Wohnung am Potsdamer Platz räumt („Ich war ein Berliner“ ) und gleichwohl den Titel eines Ehrendirigenten erhält, wird Leenaars mit seiner italienischen Frau und dem kleinen Sohn hierher ziehen. Das Rundfunkhaus in der Nalepastraße, in dem viele Aufnahmen entstehen, hat er schon besichtigt. Es wurde 1951 erbaut – „im gleichen Jahr wie mein Haus in Hilversum“. Ein gutes Omen.

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