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Kultur: Gläser zerdrücken

„ Ausnahmezustand“ an der Schaubühne

„Wenn du mal nicht mit mir schlafen willst, du musst das nicht tun“, entlastet die Enddreißigerin ihren Gatten. „Nein, das ist in Ordnung für mich, das haben wir doch so vereinbart, alle zwei Wochen“, weist der Frauenversteher das Angebot zurück. Klar doch: Hormonelle Ansprüche werden sachlich verhandelt unter modernen Eherationalisten. Chance auf Einigung: 99 Prozent. Und der Zwei-Wochen-Lacher funktioniert auch in dritter Wiederholung noch beim Publikum der Schaubühne.

Im Übrigen hat das Paar, das Autor Falk Richter in seinem Stück „Im Ausnahmezustand“ auf die Wohnsaloncouch legt, andere Probleme: Vor Jahren ist ihm der Aufstieg in eine Besserverdienendensiedlung gelungen; eine „Gated Community“ mit dem schönen Namen „Celebrity“. Und nun hockt die Frau zusammengekauert auf der grauen Edelsitzgruppe – einem Möbel, das unverkennbar der Bühnenbildwerkstatt Jan Pappelbaums entstammt. Der Mann zerdrückt unterdessen Weingläser, und die Stimmung ist ganz und gar nicht feierlich. Von unten drängen ehrgeizige Sozialkarrieristen nach, von oben drückt Kritik an Arbeitseffizienz und Lebenseinstellung.

Relativ vorhersehbar vermischt Richter die Wohnverhältnisse der Oberschicht mit einer negativen Gesellschaftsutopie, in der der Leistungsdruck das Verhalten noch auf der heimischen Schlafcouch steuert und Sozialkontrolleure dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Gern übernimmt diesen Job gleich der eigene Lebenspartner, denn der Motor, der den Kontrollzwang am Laufen hält, ist natürlich nichts anderes als (Abstiegs-)Angst.

Nebenbei greift Richter, der sein Stück in der Schaubühne selbst zur Uraufführung brachte, die Kompensationskrücken an, die solche Verhältnisse hervorbringen: Wellness, Yoga, Pilates, Coaching-Seminare und Laienspielgruppen. Obendrein versucht er noch einen Ehekrieg nach dem Vorbild von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ im „Ausnahmezustand“ unterzubringen.

Bibiana Beglau und Bruno Cathomas, für die Richter das Stück geschrieben hat, changieren gekonnt zwischen Dominanz- und Unterwerfungsgesten, wechseln zwischen den Ehekomikern und den Sozialtragöden. Sie nehmen selbst Richters kleine sozialromantische Hürden ohne Pathos, in denen das echte, nicht entfremdete Leben beschworen wird.

Der erst 15-jährige Vincent Redetzki, der am Schluss als Sohn in Spiel kommt, fügt sich da tadellos ein. Dennoch können die guten Schauspieler nicht darüber hinwegtäuschen, dass Richter nicht wirklich etwas zu erzählen hat, was er dem Publikum nicht schon in früheren Stücken gesagt hätte. Christine Wahl

Wieder: 12.11., 20 Uhr 30, 27.11., 20 Uhr.

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