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Kein Gattungsstempel nötig. Den Schriftsteller Michael Fehr, 1982 in Muri bei Bern geboren, treibt die Lust an der Sprache.

© Franco Tettamanti

„Glanz und Schatten“ von Michael Fehr: Das Wirbeln der Sprache

Satzende Katzen und zerlegte Rebhühner: „Glanz und Schatten“ versammelt neue Erzählungen des Schweizer Wortjongleurs Michael Fehr. Verspielt und kunstvoll.

Eines Morgens entdeckt der Held weit draußen auf dem Feld eine Maschine. „Brandneu, grell orange“ leuchtet sie in die Landschaft und macht einen Höllenlärm, sodass von überallher Leute zusammenlaufen. Wie sie den Boden aufreißt, alles aufwühlt, um dann das Saatgut hineinzutreiben. Nicht von ungefähr meint ein Mann: „Diese Maschine ist eine Bombe“.

Der Schweizer Schriftsteller Michael Fehr ist ein Wortjongleur, der die Sprache mal mit der Stimme streichelt, mal fast zum Bersten bringt. In seinem 2015 veröffentlichten Buch „Simeliberg“ gelang Fehr das Kunststück, aus einem trockenen Fall einen funkelnden Text zu machen, Kriminalgeschichte und Sprachkraft, Mundart und Protokollstil miteinander zu verknüpfen.

Texte für den Vortrag und die Bühne

Die Erzählungen, die er jetzt unter dem Titel „Glanz und Schatten“ geschrieben hat, sind im Vergleich dazu eher Etüden. Wobei der Begriff „Erzählung“ bei manchen Texten durchaus schmeichelhaft ist. „Aus einigen seiner Geschichten macht er auch Songs“, heißt es in der kleinen biografischen Angabe am Ende des Bandes. „Aus einigen seiner Songs macht er auch Geschichten!“, möchte man gleich dagegenhalten. Es sind Texte für den Vortrag und für die Bühne. Dass Michael Fehr (oder sein Verlag) sie nun zu Erzählungen deklariert, ist sympathisch, weil es ein Denken in Gattungsgrenzen umschifft, weicht den Begriff „Erzählung“ aber auch so weit auf, das er kaum mehr etwas bezeichnet.

Dabei haben Fehrs Texte gar keine Stempel nötig. Wenn hier ein Rebhuhn zerlegt wird, geht es weniger um den berühmten Faden der Narration als um eine Lust am Öffnen und Schneiden. Aber das ist nur die eine Hälfte.

Die Wörter hasten über die Seiten

Michael Fehr, der 1982 in Muri bei Bern geboren wurde, setzt die Ding- und Sprachmomente auch neu zusammen, wiederholt und verwandelt sie. Kein Wunder, dass hier eine Katze zwischen Blättern hervor „satzt“, interessiert sich Fehr doch nicht nur für die schnellen Bewegungen der Krallen und Zähne, sondern genauso für das Wirbeln der Sprache.

Ohne Punkt und Komma hasten die Wörter bisweilen über die Seiten, lauern kurz, schleichen, um bald schon Anlauf für den nächsten Sprung zu nehmen. Inmitten seiner Variationen gelingen Michael Fehr immer wieder sehr eigene, schöne Sprachbilder: „auf dem Tischtuch steht ein hoher Kerzenständer / und am Kerzenständer hängen kleine Plämpel / aus Kristallglas / die in den Regenbogenfarben glänzen“.

Manche Texte allerdings vertrauen ein wenig zu sehr auf ihre Effekte. In einem Stück namens „Babel“ zum Beispiel wird so lange rötlicher Staub über die Wörter gepustet, bis alles verschwindet: „allmählich ist die Sicht echt schlecht“. Am besten, man stellt sich Michael Fehr vor, wie er seine Texte erst ins Diktafon spricht und später zur Aufführung bringt. Dann werden sie tatsächlich zu kleinen Sprachmaschinen.

Michael Fehr: Glanz und Schatten. Erzählungen. Der gesunde Menschenversand, Luzern 2017. 144 Seiten, 16 €.

Nico Bleutge

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