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Update

Katholikentag in Mannheim: Selbstkritische Töne bei der Katholischen Kirche

Auf dem Katholikentag wird auch über grundsätzliche strukturelle Veränderungen in der Kirche gesprochen. Aber das will nicht jeder gern. Der Berliner Bischof Rainer Maria Woelki geht auf Schwule und Lesben zu.

Manchmal kommt ihm die Katholische Kirche wie ein Geisterfahrer vor. Und zwar wie jener Geisterfahrer, der fragt: Wieso nur ein Geisterfahrer? Mir kommen Hunderte entgegen! Es ist Donnerstag, es ist Katholikentag in Mannheim. Es ist Klaus Mertes, der die Kirche mit dem Geisterfahrer vergleicht.

Der Jesuitenpater war bis vergangenen Sommer Rektor des Canisius-Kollegs und hat 2010 die Missbrauchsfälle dort öffentlich gemacht. Er hat viel Lob dafür bekommen. Von seiner Kirche aber musste er sich vieles anhören, was nicht so schön war. Mittlerweile ist es stiller um ihn geworden, er ist jetzt Schulleiter in St. Blasien im Schwarzwald. Aber an diesem Donnerstag ist er wieder da –und der Saal ist überfüllt. „Auftreten statt austreten“ heißt die Veranstaltung. Wie kann sich die katholische Kirche verändern?

Auch der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki ist da. Es gibt nicht viele Bischöfe, die sich auf dem Katholikentag unangenehmen Fragen stellen. Woelki tut's. Er wird an diesem Nachmittag in leisem Ton Sätze sagen, die Bischofskollegen in den Ohren dröhnen werden.

Zuvor aber sagt Klaus Mertes, er sehe zwei Probleme in der Kirche. Erstens: Das Misstrauen wächst. Zweitens: der Herrschaftsanspruch der Kleriker. Man reagiere auf Probleme mit Realitätsverlust wie der Geisterfahrer, oder man nehme wahr, was schief läuft, tue aber trotzdem nichts, weil man das Image der Kirche nicht weiter beschädigen will. Aber von Kirchenaustritt, vom Hinwerfen will Mertes nichts wissen. „Wie will ich eine Institution verändern, wenn ich ihr den Rücken kehre?“ Dass aufgedeckt wurde, wie viel Gewalt es in der Kirche gebe, sei eine große Chance, etwas zu ändern. Das hören die 1200 Katholiken im Saal gerne und danken es mit Applaus. Woelki steht neben Mertes, überragt ihn um zwei Köpfe und dankt ihm ebenfalls. Nur wenn man den Dreck aus einer Wunde herausspült, könne sie heilen. Man dürfe in den Priesterseminaren nur Menschen aufnehmen, die ein „vernünftiges, authentisches Verhältnis zu ihrer Sexualität haben“, sagt Woelki. Wie man das feststellen will, da kenne er sich nicht so aus, sagt er und bringt das Publikum zum Lachen. Man müsse halt mehr Psychologen und Therapeuten einstellen.

Ob die Kirche nicht ein anderes Verhältnis zur Homosexualität finden müsse, fragt ein Zuhörer. Müsse nicht die katholische Lehre, die praktizierte Homosexualität für Sünde hält, verändert werden, ergänzt Klaus Mertes. Woelki antwortet, was Bischöfe so antworten auf diese Frage: Die Kirche sehe die Ehe von Mann und Frau „im Schöpferwillen Gottes verankert“. Doch er belässt es nicht dabei – und da wird es spannend. „Wir müssen uns über diese Frage weiter Gedanken machen“, sagt er. Sinngemäß fügt er an, dass man nicht alle homosexuellen Beziehungen über einen Kamm scheren können. Und wörtlich: „Wenn zwei Homosexuelle Verantwortung füreinander übernehmen, wenn sie dauerhaft und treu miteinander umgehen, muss man das in ähnlicher Weise sehen wie heterosexuelle Beziehungen.“

„Wow“, raunt es im Saal. Das Lehramt der Katholischen Kirche müsse sich mit solchen Entwicklungen beschäftigen, leider dauere das oft lang und helfe den Menschen nichts, die heute leben, sagt Woelki. Es gibt Bischöfe, für die klingt das nach Revolution.

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