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Kultur: Global denken, lokal handeln

Manche Händler sieht man nicht. Mit diesen Worten begann an dieser Stelle vor einigen Jahren ein Porträt von Jörg und Sabine Maaß, einem jungen Händlerpaar, das sich mit großem Enthusiasmus auf die Druckgrafik der Klassischen Moderne verlegt hatte.

Manche Händler sieht man nicht. Mit diesen Worten begann an dieser Stelle vor einigen Jahren ein Porträt von Jörg und Sabine Maaß, einem jungen Händlerpaar, das sich mit großem Enthusiasmus auf die Druckgrafik der Klassischen Moderne verlegt hatte. Unsichtbar waren die beiden nun nicht gerade, aber immerhin: Eine richtige Galerie mit regelmäßigen Öffnungszeiten hatten sie nicht. Gehandelt wurde in den eigenen vier Wänden in der Rankestraße, Interessenten kamen nur nach Vereinbarung, und das Tor zur Welt bildeten in erster Linie die regelmäßig herausgegebenen Angebotskataloge mit ausgewählten Blättern vor allem des deutschen Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Schon damals konnte man hier auf Raritäten stoßen, darunter nicht selten von klingenden Namen: Schmidt-Rottluff etwa, Nolde, Kirchner und Kaus, Dix, Beckmann, Feininger oder auch Hubbuch.

Irgendwann würde man sie doch sehen, so viel war klar. Und richtig, vor kurzem öffneten Jörg und Sabine Maaß dem Publikum großzügige Galerieräume - gelegen im gleichen Haus wie die Wohnung, jedoch in der ersten statt der vierten Etage -, und mit diesen Räumen auch die Grafikschränke, die ihr Geheimnis bislang nur auf ausdrücklichen Wunsch kundiger Besucher preisgegeben hatten. Genau fünfzig Arbeiten umfaßt die ausschließlich aus eigenem (insgesamt um die tausend Blatt starken) Besitz zusammengestellte Eröffnungsschau, die unter dem selbstbewußten Titel "Meisterwerke deutscher Druckgrafik" antritt. Was nicht einmal übertrieben ist. Denn wenn auch nicht jedes Blatt von einem der sakrosankten Top-Künstler der klassischen Moderne stammt, so handelt es sich doch stets um ein Werk von ausgesuchter Qualität. Wer es noch nicht wissen sollte: Diese ist nicht nur bei Leuchttürmen wie Kirchner und Co. zu finden. Man darf, man wird hier also Entdeckungen machen.

Man darf sogar die eigenen Sehgewohnheiten überprüfen: Ein Händler, der - wie hier zu sehen - eine aquarellierte Radierung des relativ unbekannten Paul Kleinschmidt neben einen extrem seltenen Holzschnitt von Feininger hängt, einen monotypieartigen Farbholzschnitt des gemeinhin als Dresdner Lokalgröße eingestuften Otto Lange neben eine Lithografie von Ernst Ludwig Kirchner, der zeigt, daß er entweder erstaunlich wenig oder aber erstaunlich viel von der Kunst versteht, er ein Ignorant oder aber ein beachtlicher Kenner ist, der über einen geradezu unbestechlichen Blick für die Qualität eines einzelnen Blattes verfügt - einen Blick, den auch allmächtige Marktgesetze nicht zu trüben vermögen. Keine Frage, zu welcher Kategorie Jörg und Sabine Maaß gehören. In all den Jahren, in denen sie nun schon nahezu alle wichtigen in- und ausländischen Auktionen besuchen und hier buchstäblich jedes Blatt in Augenschein nehmen, haben sie eine Kennerschaft entwickelt, die - das darf man sagen - nicht alltäglich ist. Ohne echte Begeisterung für die Sache würden diese zeitaufwendigen Mühen wohl eine unzumutbare Fron bedeuten.

So aber gibt es Blätter, die den beiden mittlerweile geradezu ans Herz gewachsen sind, Blätter etwa, die in der vorliegenden Druckqualität nur alle Jubeljahre auf dem Markt auftauchen oder aber überhaupt so selten sind, daß sich eine zweite Gelegenheit zum Erwerb wohl nicht wieder geboten hätte. Corinths üppiges "Mädchen im Korsett" (18 000 Mark) gehört dazu, eine 1895 entstandene Lithografie, von der nur zwei bis drei Abzüge gedruckt wurden. Oder auch das unglaublich eindringliche lithografische "Selbstporträt in der Dämmerung" von E. L. Kirchner aus dem Jahr 1908, von dem insgesamt drei Exemplare bekannt sind: Eines unerreichbar in einer Bremer Privatsammlung, ein anderes im Besitz des Art Institute von Chicago. Wem der Weg dorthin dann doch etwas weit ist, der kann es sich von nun an auch etwas einfacher machen.

MARKUS KRAUSE

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