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Kultur: Götter und Spötter

Neu übersetzt: Giordano Brunos philosophischer Dialog „Austreibung des triumphierenden Tieres“

Es ist eine kleine Sensation, dass zum ersten Mal seit 1904 eine deutsche Übersetzung von Giordano Brunos Dialog „Spaccio della bestia trionfante“ erschienen ist. Seit den 1920er Jahren war er, wenn überhaupt, nur noch antiquarisch, erhältlich. Kein philosophisches Werk hat eine so seltsame, bisweilen bizarre Wirkungsgeschichte wie dieses 1584 in London erschienene Buch. Über Jahrhunderte hinweg wurde es verteufelt, missverstanden und – kaum wirklich gelesen.

Die Schrift hat im Inquisitionsprozess gegen den 1548 in Nola geborenen Philosophen, der am 17. Februar 1600 in Rom nach achtjähriger Kerkerhaft spektakulär verbrannt wurde, zwar keine direkte Rolle gespielt, indirekt aber sehr wohl. Die Denunziation des Giovanni Mocenigo, in dessen venezianischem Palast Bruno über Monate hinweg als eine Art philosophischer Mentor Gastrecht genoss, erwähnt unter anderem mündliche Äußerungen Brunos über Jesus von Nazareth, in denen dieser als „Betrüger“ und „Magier“ erscheint. Und als ein solcher wird der Stifter des Christentums im „Spaccio“ in einer Schärfe und Radikalität attackiert, die noch im frühen 21.Jahrhundert beispiellos ist.

Giordano Bruno, der große Unendlichkeitskosmologe, der den Kopernikanismus aufgriff und über seine Grenzen trieb, gibt sich im „Spaccio“ als Spötter, der im Gewand des Lukianischen Dialogs eine Abrechnung mit seinen Zeitgenossen präsentiert, und nicht nur mit diesen. Bruno tritt hier als kosmischer Moralist auf die Bühne, der das nach seiner Überzeugung Provinzielle und Dogmatische der christlichen Weltdeutung wortreich geißelt. Ja man gewinnt den Eindruck, dass es Bruno ein Anliegen ist, Jesus geradezu vorzuführen, und dies über Seiten hinweg – einmal als Jäger Orion, dann als Zentaur Chiron.

Bruno lässt den Göttervater Zeus ein umfassendes Revirement der Sternbilder ins Werk setzen, eine „Reformation des Himmels“ (wie der „Spaccio“ in der ersten deutschen Übersetzung von 1889 betitelt wurde). Doch mehr als mit einer Reformation haben wir es mit einem universalen Gericht zu tun, einer anderen „Göttlichen Komödie“, und zwar im Wortsinn. In der neapolitanischen Volkssprache, derer sich Bruno über weite Strecken bedient, wird eine fulminante Komödie inszeniert, die aber ihren tiefen, ihren sozusagen kosmischen Ernst nie verleugnet.

Das Werk enthält ein Flechtwerk von Anspielungen, Querverweisen und Seitenhieben. Es ist ein Feuerwerk der Bilder und Metaphern und jongliert souverän mit der antiken Sternbild-Mythologie, die damals den Gebildeten noch ganz vertraut war, heute aber einer detaillierten Kommentierung bedarf, die in der zweisprachigen Neuausgabe – links italienisch, rechts deutsch – auch großartig geleistet wird. Hierfür muss man Elisabeth Blum als Übersetzerin und Autorin der Einleitung, aber auch Paul Richard Blum Anerkennung zollen.

Die Übersetzung verleiht dem Text Brunos eine Frische, die das Verständnis erleichtert, ohne ihn in seiner philosophischen und satirisch-polemischen Substanz zu schmälern. Nur: „Spaccio della bestia trionfante“ als „Austreibung des triumphierenden Tieres“ zu übersetzen, und dies in bewusstem Kontrast zur „Vertreibung der triumphierenden Bestie“ (wie in den Übersetzungen von Ludwig Kuhlenbeck und Paul Seliger) ist fragwürdig. Denn in der „Bestie“ schwingt etwas mit vom Niederträchtigen (wie Goethe und Schopenhauer sagen würden), und dagegen richten sich die Angriffslust und der Zorn eines Denkers, der seine Gegner ebenso gut kannte wie sie ihn.

Giordano Bruno: Spaccio della bestia trionfante. Austreibung des triumphierenden Tieres. Italienisch – Deutsch. Aus dem Italienischen von Elisabeth Blum und Paul Richard Blum. Felix Meiner Verlag, Hamburg 2010. 534 Seiten, 168 €. – Paul Seligers alte Übersetzung lässt sich unter books.google.de nachlesen.

Jochen Kirchhoff

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