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Kultur: Göttin des Gemetzels

Cecilia Bartoli kehrt mit „Giulio Cesare“ zurück nach Salzburg – um zu bleiben.

Sie schlug die eröffnenden Töne dieser ersten Festspielsaison von Alexander Pereira in Salzburg an – und nun auch die letzten. Verführerische Töne, allen jenen zugedacht, denen der neue Mann zu viel ändern will an der Salzach. Cecilia Bartoli, von Pereira zur Intendantin der Pfingstfestspiele berufen, entfachte mit ihrem exquisiten Cleopatra-Programm einen sinnlichen Strudel, in dessen Fahrwasser manch harsches Wort hinweggespült wurde. Die Festspiele müssten sich immer komplett neu präsentieren, erklärt Pereira, Wiederaufnahmen gehörten nicht ans erste Festival der Welt. Doch die Bartoli darf künftig zwei Mal im Jahr dabei sein. Ihre Pfingstoper wird sie auch im Sommer singen, Salzburg wird zu ihrer Bühne, wie zuvor Pereiras Opernhaus in Zürich. Auch wenn sich manche über die neue „Zürichisierung“ Salzburgs mokieren – Cecilia Bartoli erliegen sie alle, wie Caesar der Cleopatra.

Also wieder die Liz-Taylor-Perücke aufgesetzt. Nach Zimmermanns bewegenden „Soldaten“ in der Felsenreitschule ist die Rückkehr von Händels „Giulio Cesare in Egitto“ ins Haus für Mozart durchaus mit Hinterlist programmiert. Dieser kampfbereite Fünfstünder ist nicht nur wegen seines Arienarsenals auf Expansionskurs. Er zeigt auch die Schrecken des Bürgerkriegs, wo sich Liebe unauflösbar mit Eroberung und Niederwerfung verbunden hat. Für das nicht ganz zu Unrecht der Pop-up-Regie gescholtene Gespann Moshe Leiser und Patrice Caurier liegt damit am Ende der Salzburger Saison eine echte Chance. Dieser ägyptische Herbst 48 vor Christus kann nahegehen, auch wenn er überdreht durchs Bühnengerümpel fegt. So wie Cleopatra, die in ihrer Verführungsszene als „Tugend“ kostümiert einen Marschflugkörper erklimmt und sich mit ihm ins Blaue schießt.

Cesare, der das alles mit 3D-Brille vom Kinosessel aus betrachtet hat, ist begeistert. Er ist bis an den Nil gekommen, um nicht nur einen Widersacher zu schlagen, er scheint als EU-Chefstratege auch Ölvorkommen unter seine Kontrolle bringen zu wollen. Darf man Händel alles soufflieren? Wenn man den Reichtum seiner Da-capo-Arien erkennt, öffnen sich Traumlandschaften. Leiser und Caurier haben bei aller Spaßbereitschaft ein gutes Ohr für die Musik, sie gehören zu den bevorzugten Regisseuren der Bartoli. Eine One-Woman-Show wird „Cesare“trotzdem nicht. Die Prinzipalin war darauf bedacht, sich mit erstklassigen Kollegen zu umgeben, denen musikalische Sternstunden gelingen. Gleich vier Countertenöre aus drei Sängergenerationen stehen auf der Bühne: der souveräne Andreas Scholl als Cesare, der rührende Philippe Jaroussky als Rache übender Sesto, der alerte Christophe Dumaux als Cleopatras machtgeiler Bruder und der gereifte Jochen Kowalski in der Rockrolle der Kammerdienerin Nirena. Sie alle werden auch den letzten Zweifler für die schillernde Welt der hohen männlichen Töne begeistern, die ihren Gegenpart in der großen Anne Sofie von Otter und ihrer innigst klagenden Cornelia findet.

Und die Bartoli? Singt ihr „Piangero“ mit gefesselten Armen, Sack über dem Kopf. Nur die mezza voce ist frei und findet ihren Weg so zielstrebig ins Herz, dass an Widerstand nicht zu denken ist. Giovanni Antonini und sein Originalklangensemble Il Giardino Armonico beherrschen die nicht barrierefreie Akustik mit Elan. Ein glückliches Ende kann es für diesen „Cesare“ trotzdem nicht geben: Auf einen Usurpator folgt der nächste, auf Unrecht neue Untaten. Ein Geschützrohr schwenkt von der Straße herein, zielt ins Publikum – und direkt in Bartolis zweite Saison: „Opfer“ heißt ihr Thema zu Pfingsten 2013. Sie selbst wird Norma sein, die Frau, die alles opfert. Natürlich erklingt Bellini im Originalgewand und mit den ursprünglichen Stimmverhältnissen. Zu einem Vergleich mit der Callas wird es daher wieder nicht kommen, denn die erste Norma war eine lyrische Mezzosopranistin. Das hat sich Cecilia Bartoli musikwissenschaftlich versichern lassen und es bereits im Konzertsaal ausprobiert. Diese Ausnahmekünstlerin macht keine halben Sachen, auch nicht als Intendantin in der Heimat schaumiger Nachspeisen. Ulrich Amling

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