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Kultur: Goldene Kundenkarten

Köln feiert sich als Deutschlands Kunstmetropole: Heute wird die 36. Art Cologne eröffnet

Auf Plakaten warb die Art Cologne im letzten Herbst damit, dass Köln „the Artpole of the world“ sei. Auch in diesem Jahr feiert sich die Internationale Messe für Moderne Kunst, die heute Abend eröffnet, wieder als Deutschlands bedeutendste Kunstmesse. Das Motto vom Kunstnabel der Welt soll das Image der Traditionsveranstaltung aufpolieren, die damit als Fixstern im Reigen der Kunstmessen angepriesen wird.

Mit ihrem Slogan hat die Messe vielen Kölnern aus dem Herzen gesprochen. Schließlich macht das Wort von der „Kunststadt Köln“ in der Rheinmetropole bei jeder Gelegenheit die Runde. Zu Recht blickt man mit Stolz zurück auf eine glänzende Vergangenheit. In den letzten Jahren jedoch zehrte man in Köln mehr von dem guten Ruf, anstatt ihn würdig zu mehren. Gebeutelt durch eine unglückliche Personalpolitik, dümpelte das Flaggschiff Museum Ludwig vor sich hin, und viele Galeristen verließen die Stadt, um in Berlin ihr Glück zu versuchen. Es stand nicht gut um die „Kunststadt Köln“.

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Die von Kulturdezernentin Marie Hüllenkremer mit großem Engagement betriebene Berufung des charismatischen „Machers“ Kasper König zum Direktor des Museum Ludwig hat sich als gelungene Strategie erwiesen: nicht nur für das Museum, sondern für die Stimmung in der Stadt. In der Galerienszene freut man sich über den umtriebigen Direktor, der sich auf fast jeder Vernissage blicken lässt. Man weiß: König erkennt die Galeristen als Partner im Ausstellungsgeschäft an. Gleich mit seiner ersten Schau, dem „Museum unserer Wünsche“, landete König einen Coup. Im Zuge der Neupräsentation sichtete er die Sammlung und ergänzte sie um 60 als „sinnvoll“ erkannte Werke – rund 60 Prozent davon sind inzwischen in den Besitz des Hauses übergegangen.

Auch die Galerienszene macht nach eher ruhigen Jahren wieder mobil. Wobei „Ausreißer“ wie Christian Nagel die Ausnahme sind. Nagel ist seit 2001 sowohl in Berlin als auch in der „Kunststadt“ Köln vertreten. Berlin sei in Europa auf dem Vormarsch, die Szene dort internationaler und jünger als in Köln, lautet seine Begründung. Der Ansicht ist auch Thomas Rehbein, der Berlin als „künstlerischen Melting-Pot“ bezeichnet, vergleichbar mit Köln in den 70er/80er Jahren. „In Berlin werden die Inhalte bestimmt, in Köln werden die Umsätze gemacht.“

Wie stark der Glaube an den Standort ist, beweist das vor kurzem eingeweihte Galerienhaus im Kölner Norden. Luis Campana, Sabine Schmidt, Hammelehle und Ahrens (vormals Stuttgart) und Vera Gliem (Neugründung) erwarben ein im Stadtteil Riehl gelegenes ehemaliges Umspannwerk. Mit seiner schillernden Fassade aus Lichtkuppeln präsentiert sich der umgestaltete Betonbau als solitärer Akzent inmitten von Wohnhochhäusern und Verkehrsflächen. Mit dem Kauf haben die vier Galeristen eine langfristige Entscheidung für Köln getroffen. Weitere Kunst-Aktivitäten sind aus dem Süden der Stadt zu vermelden: Hier entsteht nahe dem Kunstauktionshaus Van Ham ein von der Galerie Thomas Zander und der Stiftung für zeitgenössische Fotografie Norbert Moos errichteter Neubaukomplex, der sich zu einem Zentrum für Fotografie entwickeln soll.

Für negative Schlagzeilen sorgte in jüngster Zeit dagegen der Abriss des Museums-Ensembles am Josef-Haubrich-Hof in der Kölner Innenstadt. Die in den 1960er Jahren errichtete Kunsthalle sowie der daran anschließende Kunstverein müssen einem neuen Kulturzentrum weichen. Darin sollen das Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde, die Kunsthalle und der Kunstverein untergebracht werden. Die Pläne waren bereits seit langem bekannt, doch die Kölner Szene regte sich erst kurz vor Anrücken der Abriss-Birne. Eine Initiative rund um die Künstlerin Rosemarie Trockel protestierte gegen den Abriss eines Stücks Architekturgeschichte aus der Zeit, in der in Köln Kunst-Geschichte geschrieben wurde. Doch der Protest kam zu spät – inzwischen haben die Bagger ihre Arbeit aufgenommen. Der von Obdachlosigkeit bedrohte Kunstverein schaffte gerade noch den Absprung in das eigentlich dem „Designhaus Köln“ zugesagte ehemalige Domizil des British Council. Pünktlich zur Art Cologne ist man dort präsent und bespielt den Kinosaal des Hauses mit einer von Renée Green kuratierten Filmreihe.

Die Kunst lässt sich eben nicht unterkriegen in einer Stadt, wo immer alles noch irgendwie „gut gegangen“ ist. Zur großstädtischen Geste wie in Düsseldorf, wo man den Betonklotz der Kunsthalle erhält und gleichzeitig der Kunstsammlung das grandios umgebaute Ständehaus für die Kunst des kommenden Jahrhunderts eingerichtet hat, fehlt es in Köln. „Köln ist ein Sumpf, auf dem auch tolle Blüten gedeihen“, befindet Galerist Winfried Reckermann. Von der Austrocknung scheint das rheinische Kunst-Biotop derzeit nicht bedroht.

36. Art Cologne, 30. Oktober bis 3. November, 11 – 19 Uhr. Vernissage heute, 17 – 21 Uhr.

Susanne Boecker

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