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Kultur: Gordische Knoten halten am besten

Nun ist die Bundeskulturstiftung gegründet. Endet damit eines alten Projekts lange Reise zum Erfolg?

Nun ist die Bundeskulturstiftung gegründet. Endet damit eines alten Projekts lange Reise zum Erfolg? Doch das Vorhaben hat nicht einmal den Titel einer Nationalstiftung ins Ziel retten können: jenen Titel, unter dem es vor gut zwei Jahrzehnten - und jetzt wieder - auf den Weg gebracht worden war. Es hat überdies eine gegenläufige Bewegung freigesetzt, die ihm den schönen Schwung abzukaufen droht. Die Stiftung, die doch den Willen zu einer gemeinschaftlichen Anstrengung dokumentieren sollte, kostet den empfindlichen Preis der reinlichen Trennung der Kompetenzen von Bund und Ländern; Systematisierung heißt das Codewort, Entflechtung ist seine Praxis.

Bekommen haben wir nun eine Bundesstiftung, die in Wahrheit nicht mehr ist als ein Fördertopf neben anderen. Und zugleich halten wir, wenn das Werk getan sein wird, die kulturellen Länder- und Bund-Kompetenzen fein säuberlich in der Hand: fehlt leider nur das föderative Band. Die Auflösung der Bund-Länder-Trägerschaft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, des bedeutendsten deutschen Museumskomplexes, würde dem Kleinkrieg um die Nationalstiftung die Krone aufsetzen. Es wäre eine Narrenkrone.

Irgendwie bleibt das Ganze ein Trauerspiel. Wieder ist es nicht gelungen, einen institutionellen Ausdruck für jenen Anteil an der Kultur zu finden, der als gemeinsamer Besitz aller Deutschen gelten kann. Wieder haben die alten Reflexe des bundesrepublikanischen Föderalismus durchgeschlagen: Pochen auf Eigenständigkeit und Furcht vor allem, was Bund heißt.

Auf die Versuchung, dem großen Ereignis mit einer neuen Bestimmung des Kulturföderalismus gerecht zu werden, haben die Länder mit der großen Flurbereinigung geantwortet. Sie buchstabieren den Grundsatz, dass Kultur Ländersache sei, mit dem Grundgesetz in der Hand und dem Besitzstands-Etatismus im Kopf eisern durch. Sie werden als Erfolg für den Kulturföderalismus begreifen, was in Wahrheit eine Niederlage für ihn ist.

Die Sache hat ihre dubiose Logik. Eine kleine Ewigkeit lang, nämlich in der Zeit der deutschen Teilung, war es der Gedanke der Kulturnation, der das Land zusammenhalten sollte. Nach der staatlichen Wiedervereinigung war immerhin noch der Gesamtstaat gefragt, um jene "Leuchttürme" zu stützen, denen sonst das Licht ausgegangen wäre: Einrichtungen wie die Stiftung Weimarer Klassik, das Händel-Haus in Halle und vieles andere. Aber der Versuch, einen Schritt weiter zu gehen und den Part des Bundes im kulturellen Leben der Republik neu zu definieren - verbunden vor allem mit der Etablierung eines Staatsministers beim Bundeskanzler -, offenbarte den wirklichen Zustand des Kulturstaats Bundesrepublik. Er lässt sich nur als Armutszeugnis begreifen.

Auf dem Feld der Kulturpolitik darf deutsche Kultur sich als gesamtstaaliche Veranstaltung nur blicken lassen, wenn sie nach außen gekehrt oder rückwärts gewandt ist: als Gegenstand der auswärtigen Kulturpolitik, zum Zwecke der Völkerverständigung, als Tribut an die Vertriebenen, als Sorge für die Gedenkstätten - und nun, natürlich, als innovativer Spielplatz für den Kulturstaatsminister, der dank des Zufalls eines Kanzlerbesuchs seinen Sitz in Halle gefunden hat.

Sieht man davon ab, dass der Promoter einer bundesstaatlichen Kulturpolitik, der frühere Staatsminister Michael Naumann, mit den Gaben seiner Formulierungskraft auch schlafende Hunde geweckt hat, kann man diese Entwicklung wohl nur als Verkettung unglücklicher Umstände sehen. Das Nationalstiftungs-Projekt ist hineingeraten in die Entflechtungs-Debatte, die den deutschen Föderalismus seit Jahren beschäftigt. Übrigens keineswegs mit schlechten Gründen: Die Epoche des kooperativen Föderalismus hat sich verbraucht, die Länder müssen wieder mehr Handlungsspielraum gewinnen. Aber dient der Kultur, was dem Hochschul- oder Straßenbau nützt? Das Mehr an Wettbewerb und Verantwortlichkeit, das von der politisch-administrativen Entflechtung zu erhoffen ist, macht hier keinen Sinn.

Dabei gibt es genügend Gründe, am Artikel 1 des Kulturföderalismus - dass Kultur Ländersache sei - nicht zu rütteln, weder verfassungsrechtlich noch in der Praxis. Kultur wird ja in der Tat in der Hauptsache von den Ländern und den Kommunen getragen. Allerdings hat der Erfolg dieses Prinzips weniger mit den gepriesenen Kräften des Bundesstaates zu tun als mit dessen spät-absolutistischer Grundierung. Man erinnere sich an die Regierungszeit Lothars I. und seinen Stuttgarter Musenhof oder auch an die Anstrengungen, mit denen Kurfürst Clemens sein Land zu einer Medienbühne und Festspielwiese zu machen sucht. Aber besteht der Kulturstaat Bundesrepublik denn wirklich nur aus der Addition der Kulturen der Länder, der Kultur in den Ländern?

Gewiss, wenn Bayern seine Oper und seine Schlösser pflegt, fördert es keineswegs nur bayerische, sondern auch deutsche Kultur, Nationalkultur - auch wenn sein Kultusminister das aus föderaler Dickköpfigkeit nicht wahrhaben will. Aber es wäre Pfahlbürger-Mentalität, der deutschen Kultur die Existenz nach innen, jenseits der Jurisdiktion der Länder abzusprechen. Die Länderkultur ist keine Provinzkultur - sie wird nur oft provinziell vertreten. Gemeinschaftliche Förderung bedeutender Institutionen und großer Ereignisse, Mischfinanzierung, wie vielfach praktiziert, am repräsentativsten in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, auch die Leuchttürme von Bayreuth bis Bauhaus sind kein Sündenfall - sie sind eine durch die Sache gebotene Struktur.

Natürlich war es in erster Linie die bekannte Verführung durch Förderung, also das Wedeln mit dem Scheckheft, das den Bund zum Teilnehmer der Kulturförderung gemacht hat. Gewiss ist da allerlei Wildwuchs entstanden. Aber sollte man darin nicht doch auch das Wirken des eigentümlichen Geistes unserer Kultur in ihrer Verbindung von regionaler Verankerung und nationaler Ausstrahlung sehen?

Aber nein, es muss entflochten werden. Wie tief dieser Impuls sitzt, ist daran abzulesen, dass die Länder diesem Zweck sogar die Beteiligung geopfert haben, die ihnen Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin an der Nationalstiftung angeboten hatte. Lieber schneiden sie sich ins eigene Fleisch, als dem Bund entgegenzukommen. Die Entflechtung des Preußischen Kulturbesitzes, des Ecksteins gesamtstaatlich getragener Kultur, würde das schlagend deutlich machen. Denn mit ihrem Rückzug räumten die Länder dem Bund - worauf Klaus-Dieter Lehmann, der Stiftungs-Präsident, aufmerksam gemacht hat - eine ausschließliche Zuständigkeit auf einem Gebiet ein, auf dem sie doch eine ihrer Kernkompetenzen sehen. Mit ihrem Beharren auf der Kulturhoheit fordern sie, paradoxerweise, ein Stück weit den Zentralismus heraus, den der Bundesstaat nicht will.

Man kann in tiefes Nachdenken verfallen angesichts der Ausdauer, mit der die Länder den Kulturföderalismus in diese fatale Richtung drängen. Was treibt sie um? Der Furor, mit dem sie zu Werke gehen, verrät, dass die Kultur das Feld ist, auf dem sie glauben, ihr Allerheiligstes verteidigen zu müssen - ihre Staatsqualität, die unter die Räder von bundesstaatlichen Funktionsverlusten und Globalisierung geraten ist. Aber da arbeitet noch mehr. Offenbar sitzt den Ländern noch immer der Affekt gegen die fehlgegangene Nationalstaatlichkeit in den Knochen, der den deutschen Föderalismus nach dem Krieg auf seinen Siegeszug brachte.

Aber heute stellt sich eine ganz andere Frage: wie dieser Föderalismus ein Verhältnis zum wiedererstandenen Nationalstaat findet. Deshalb geht es bei dieser Debatte nicht nur um Kultur, sondern um die innere Form der Bundesrepublik. "Sind wir zusammengefügt aus Staaten oder sind wir auseinandergegliedert in Staaten", fragte schon Theodor Heuss. Das war 1949, am Tag seiner Amtsübernahme, also in der Stunde Null dieser Republik. Die Debatte zeigt: Die alte Frage geht noch immer um.

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