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© Topham Picturepoint / Keystone

Kultur: Gott des Klangs

„James-Bond“-Komponist John Barry gestorben

Filmmusik wird gern als Klangteppich bezeichnet. Wer John Barrys Partituren hört, der kann diesen Teppich sehen und fühlen. Er ist flauschig und strahlt Luxus aus, es ist ein schönes Gefühl, ihn unter sich zu haben. Kritiker haben Barrys Musik als „lush“ (opulent) und „mushy“ (schmalzig) bezeichnet. Es ist kein Zufall, dass er seine Oscars für Filme gewann, die der Tourismuswerbung dienten. Die Protagonisten von „Frei geboren – Die Königin der Wildnis“ (1966), „Jenseits von Afrika“ (1985) und „Der mit dem Wolf tanzt“ (1990) mussten sich unter Eingeborenen und wilden Tieren bewähren, doch die Musik sorgte in jeder Krisensituation für Ruhe. Barry bemühte sich nicht um Authentizität, er legte einfach einen kuscheligen Teppich über den Wüstensand. Das Publikum sollte sich nicht vor der Wildnis fürchten, sondern die Bilder genießen.

Barrys Mutter war Pianistin, sein Vater Kinobetreiber, ideale Voraussetzungen für einen Filmkomponisten. Hinzu kam das Glück, das der Engländer aus York beim ersten James-Bond-Abenteuer „Dr. No“ (1962) als Arrangeur eingesetzt wurde. Das Hauptthema stammte zwar von Monty Norman, der Jahrzehnte lang um seine Anerkennung kämpfen musste. Aber entscheidend für die Wirkung der Bond-Filme war das effektvolle Arrangement. Generell beeindruckt bei Barrys Partituren nicht die Themenfülle, sondern der angenehme Klang. Er hat sich nicht verausgabt, hat weder mit der Stoppuhr Bewegungsabläufe nachgemessen noch psychologische Feinheiten betont. Barrys Musik war ständig präsent, aber niemals aufdringlich.

Wie sonst nur Henry Mancini und Maurice Jarre hat Barry in den sechziger Jahren den Balanceakt zwischen Spätromantik und Pop bewältigt. Seine Musik hatte von allem etwas, sie verkaufte sich gut als Schallplatte, gefiel aber auch Liebhabern altmodischer Hollywoodpartituren. Den James-Bond-Produzenten hielt Barry ein Vierteljahrhundert lang die Treue, sein größter Hit blieb „Goldfinger“ (1964). Doch er sehnte sich nach einem Imagewechsel und fand ein neues Betätigungsfeld im Neo-Noir, jenen Liebeserklärungen junger Regisseure an das alte Hollywood, vor allem die Thriller und Gangsterfilme der vierziger Jahre. Für Wim Wenders’ „Hammett“ (1982) und Coppolas „Cotton Club“ (1984) wurde ein Komponist gebraucht, der den Geist der Zeit evozieren kann. Besonders starke Wirkung entfaltete sein schwüler Kuscheljazz bei Lawrence Kasdans Film „Body Heat – Eine heißkalte Frau“ (1981). Jeder Schauplatz, ob eine Veranda oder ein Schlafzimmer, wird durch die Musik in eine elegante Nachtbar verwandelt, in der zwielichtige Menschen zu einem Glas Gin einen Mord planen.

In den letzten Jahren musste der Erfolgskomponist, der kurz mit Jane Birkin verheiratet war, Rückschläge einstecken. Seine Soundtracks für „Herr der Gezeiten“, „Der Pferdeflüsterer“ und „The Incredibles“ wurden abgelehnt. Selbst für altmodischen Filme war er zu altmodisch geworden. John Barry ist am Sonntag im Alter von 77 Jahren in New York nach einem Herzanfall gestorben. Frank Noack

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