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Kultur: Gottvater Moloch

Edo Popovics Debüt „Mitternachsboogie“

BADOUM BADOUM BADOUM ich bin bei minus fünfundzwanzig Grad in eine Zelle eingesperrt draußen Sprühnebel von Bleistaub um mich herum silberne Dienstmützen der Nachtwachen Hunde Trompeter Leichtathleten“ – so klingt es in einem verkaterten Kopf. Das BADOUM-Donnern will nicht aufhören, dazu gesellen sich ein lärmender Nachbar, ein schreiendes Kind im Treppenhaus und plötzlich schockierend nah: eine Frau, die ihren Schlüpfer sucht. Der Erzähler hat sie offenbar nicht in seinem Schlafzimmer erwartet.

Post-Exzess-Schilderungen wie diese sind eine Spezialität von Edo Popovic. Auch Räusche und andere wirklichkeitsentrückte Zustände beschreibt er in seinem fragmentarisch angelegten Debütroman „Mitternachtsboogie“ plastisch. 1987 in Jugoslawien erschienen und bald zu einem Kultbuch geworden, erscheint das schmale Bändchen jetzt erstmals auf Deutsch. Das ist aufschlussreich, weil es dem Publikum hierzulande eine neue Seite des 1957 geborenen Schriftstellers erschließt. Anders als in seinen episodischen Verlierer-Romanen „Ausfahrt Zagreb-Süd“ (dt. 2006) oder „Die Spieler“ (2009) entwirft er hier keine nachvollziehbaren Handlungsstränge und skizziert auch kein Gesellschaftsporträt, sondern konzentriert sich ganz auf den Bewusstseins- und Erlebnisstrom seines Icherzählers. Dieser heißt genau wie der Autor, der offensichtlich den Eindruck erwecken möchte, dass diese Prosa in hohem Maße erfahrungsgedeckt ist. Nebenbei fängt er das desillusionierte Lebensgefühl der nicht mehr ganz jungen jugoslawischen Vorkriegsgeneration ein.

In der surrealistisch-drastischen Verarbeitung seiner in Zagreb und Berlin spielenden Trink- und Sexgeschichten orientiert Popovic sich an Größen der Beat-Literatur wie Allen Ginsberg und Charles Bukowski, die er auch einige Male explizit erwähnt. Das zeugt nicht nur von Bewunderung, sondern auch von einer berechtigten Souveränität.

Denn in den Ruch reinen Epigonentums kommt Edo Popovic nie. Dafür ist seine Anbetung des „Gottvaters Moloch“ zu eigen, sein Tonfall insgesamt zu selbstironisch und zweifelnd. Mit den Balkankriegen kam für Popovic die Ernüchterung. Er arbeitete als Kriegsreporter und fand danach zu einer realistischeren Prosaform. Nadine Lange

Edo Popovic:

Mitternachtsboogie.

Roman. Aus dem

Kroatischen von

Alida Bremer. Voland & Quist, Leipzig 2010.

173 Seiten, 19,80 €.

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