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Kultur: Graf aus Monte Gruwie

POP

„Alle Frauen lieben ihn, alle Männer verstehen ihn. Meine Damen und Herren, der Graf von Monte Gruwie: Bernd Begemann !“ Im hellbraunen Anzug, mit rotem Hemd, rosa Krawatte sieht er aus wie der zweite Geschäftsführer eines drittklassigen Etablissements. Doch heute ist er im Knaack . Mit seiner Band „Die Befreiung“, drei netten Jungs an Bass, Drums und Keyboards. „Bernd Begemann und die Befreiung, das steht für Randale ohne Blutvergießen, das steht für Anmut, das steht für...“ Begemann japst ins Mikro. Ein Rucken und ein Zucken geht durch seinen Körper, den er schonungslos über die Bühne schleudert. Und seine rote Gitarre schwabbelt zu wüsten Schrabbelakkorden. Die Stimme knarzt und bricht, überschlägt sich, trudelt und taumelt: „Ich hab mich rasiert und meinen besten einzigen Anzug angezogen, und ich fühle mich wie ein Mann!“, singt er, kräht, jault, heult er.

Ein Schönsänger ist er nicht. Ein Schreihals, ein Shouter. Mit seinem gefühlvollen Phrasing, das die Zuhörer sofort auf seine Seite zieht: „Ich hab nichts erreicht außer dir.“ Live klingt das noch besser als auf dem 13. Album („Unsere Liebe ist ein Aufstand“). Modsige Temponummern, melodische Balladen, schmutziger R&B, norddeutsche Seele. Bernd kriecht am Boden, macht sich den Anzug dreckig. „In Berlin wird natürlich nicht die Bühne saubergemacht – das ist unrockich“, frotzelt er, und denkt sich immer neue witzige Geschichten aus. Im Sprechgesang über zwei endlos wiederholte Akkorde. Stehaufkomödie im Soulpredigerstil. Songs über Glück und Unglück in der Liebe und „Fernsehen mit der kleinen Schwester“. Begemann singt herrlich manieriert und tuntig. Vom „Täg“, an dem „wir zusämm“ sind, im „Sänd“ am „Stränd“. In den Akkordfolgen hört man Clash und Jam und „All Along The Watchtower“. Und schwummerigen Barjazz. Nach drei Stunden haben sie 35 Songs gespielt. Und alle haben gute Laune. Das ist Entertainment.

H.P. Daniels

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